03-01-00 Auf dem Europäischen Fernwanderweg E 3 Teil 5

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Auf der Zielgeraden des Camino

Der Monte do Gozo – Berg der Freude – trägt seinen Namen zu Recht. Ich bin wirklich heilfroh, am dritten Tag und nach insgesamt ca. 55 Kilometern endlich auf den berühmten Camino gestoßen zu sein. Die Pilger deuten die Übersetzung allerdings anders. Von hier aus blicken sie nämlich erstmals auf das Ziel ihrer Wanderung, die Kathedrale von Santiago de Compostela. Das GPS zeigt mir am Fuße des großen Monumentes, dass man diesen Ausblick aus 387 Höhenmetern genießen kann. Die Koordinaten: N 42 Grad 53,354 / WO 08 Grad 29,631. Vor dem Aufbruch auf die Zielgerade des Camino, den ich aus Zeitgründen nur noch in Richtung Santiago gehen kann, beobachte ich mit großem Interesse die eintreffenden Pilger. Manche sehen richtig abgekämpft und fertig aus, andere wirken noch fit und munter. Allen gemeinsam aber sieht man die Freude beim Anblick ihres Pilgerzieles an. Ich hätte mich gerne mit einigen Pilgern unterhalten, aber kein einziger sprach englisch oder deutsch. So mache ich mich auf den Weg und beschließe, die erste Etappe „Gegen den Pilgerstrom“ morgen anzugehen. Um mir selbst Orientierungshilfe zu geben, nehme ich einen Brocken Ziegelstein mit, um an kritischen Stellen Markierungspfeile auf den Boden zu kratzen.

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Es ist bereits 17.30 Uhr und immer noch sommerlich heiß. Ich folge dem Pfad in westlicher Richtung und gelange an eine kleine Kapelle, vor der ein (leider geschlossener) knallroter Kiosk mit Coca-Cola-Werbung aufgestellt wurde. Unmittelbar danach gelange ich auf die Rua de San Marcos. Dort erblicke ich erstmals die lange gesuchten Jakobs-Symbole und auch die im „Gorges“ erwähnten gelben Pfeile. Einen halben Kilometer führt die kaum befahrene Kleinstraße aufwärts und direkt nach der Kuppe sieht man das Tor zu einer großen Pilgerherberge. „Pilgerherberge“ ist dabei noch maßlos untertrieben. Pilger-Wellness-Zentrum wäre wohl das besser passende Wort. Rechter Hand säumen Eukalyptusbäume den Straßenrand. Erneut passiere ich einen Informations-Pillon der „Ciudad de Vacaciones“ und kurz darauf erreiche ich jenes Anwesen mit den steinernen Reliquien, dass ich vom Hinweg schon kenne. Hier also habe ich den entscheidenden Fehler gemacht. Wäre ich hier einfach nur geradeaus gegangen anstelle nach rechts dem vermeintlichen Gipfel des Monte do Gozo entgegenzustreben, hätte ich den Camino auf Anhieb gefunden und rund 30 Kilometer Fußmarsch eingespart.

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Die gelben Pfeile leiten mich geradeaus weiter. Im weiteren Wegverlauf werde ich mich wundern, warum ich diese gelben Pfeile auf dem Hinweg nicht gesehen habe. Aber es kommt noch dicker. Dort, wo die Kleinstraße einen Linksknick beschreibt, führt der Weg über einen Treppengang geradeaus zur Hauptstraße hinab. Und dann marschiere ich wie schon auf dem Hinweg über die Holzplanken der Autobahn- und der Eisenbahnbrücke.

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Weiter geradeaus auf der N 634 kann ich mich nur wundern, warum ich so viele Pfeile und Wegweiser des Camino beim Aufbruch heute Morgen übersehen habe. Die Wegweiser hatten teilweise Dimensionen wie Straßenverkehrsschilder, womit ich aber niemals gerechnet hätte. Eine erste Einkehrmöglichkeit bietet das „Restaurante O Tangueiro“ an und 50 Meter weiter befindet sich ein Tourismusbüro. Schade, dass es um diese Uhrzeit geschlossen ist. Hier hätte ich mich gerne mit Infomaterial versorgt. Ich folge der N 634 geradeaus über einen Verkehrskreis und erreiche den Parque de San Lazaro mit seinem modernen Apostel-Monument. 20 Apostel und Heilige sind dort als Einzelreliefs angebracht. Davor steht ein über 800 Jahre alter Ölbaum, dessen Geschichte und Bedeutung auf einer Tafel (leider nur auf Spanisch) erläutert wird. Man ist geneigt, dem Parkweg mit seinen winkelförmigen Laternen zu folgen, doch dieser führt am Ende nur an den Eingang des „Palacio Congresso e Exposicions de Galicia“. Das heißt also: Zurück an die N 634 und weiter in Richtung Stadtzentrum.

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Beim weiteren Weg auf dem Camino muss ich immer mehr darüber staunen, wie ich all diese gelben Pfeile, Jakobsmuscheln und Wegweiser übersehen konnte. Da zeigt sich, dass es eben nicht so einfach ist, einer Wegbeschreibung oder -markierung einfach nur rückwärts zu folgen. Nach der „Fundacion Comarcial Santiago“ häuft sich schlagartig die Anzahl der Cafés und Restaurants. Links das moderne Ristorante „L’incontro“, rechts die vergleichsweise nostalgisch anmutende Café/Bar „La Finca“. Die Pfeile leiten mich geradeaus über den nächsten Verkehrskreisel hinweg. An Cafés und Restaurants fallen mir die zusätzlichen Bezeichnungen „Pulperia“ und „Peixeria“ auf. Was das bedeutet, werde ich noch herausfinden. Nun machen auch die Namen der Bars und Restaurants deutlich, dass man sich auf dem Camino de Santiago befindet. An der kleinen Kapelle Santuario de San Lazaro vorbei führt der Jakobusweg in die Rua do Valino.

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Kerzengerade geht es auch über die nächste Kreuzung in die Rua das Fontinas und auch bei der nächsten Kreuzung folgt man dem Wegweiser zur „Zona Monumental“ in gleich bleibender Richtung. In Höhe der Banca Pastor ist eine etwas komplizierte Kreuzung über mehrere Fußgängerampeln zu überwinden. Auch hier gilt: Einfach die Richtung beibehalten. So gelangt man in die Rua San Pedro, eine belebte Kopftsteinplasterstraße, die mit Eisenpfosten verengt wurde, um das Verkehrstempo zu drosseln. Dennoch rauschen hier Linienbusse ebenso wie Pkw in einem höllischen Tempo hindurch und man sollte sich keinesfalls darauf verlassen, dass man die Straße auf Zebrastreifen sicher überqueren kann. Und am Ende dieser Straße trifft mich der Schlag: „Porto de Camino“ steht da dick und fett! Da hätte es doch heute Morgen schon „Klick“ machen müssen! Dieser Platz – gerade einmal 40 Meter von unserer Pension entfernt – weist sich wohl mehr als deutlich als „Pforte des Jakobusweges“ aus.

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Ich müsste nun nur noch die Hauptstraße überqueren und könnte auch das Reststück durch die historische Altstadt bis zur Kathedrale gehen. Ich will aber nicht mehr. Für heute reicht es! Im Hostal Giardas (unserer Unterkunft) angekommen, treffe ich meinen Reisegefährten Hans, ausgeruht und unternehmungslustig.

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Bei einem Café con Leche in der Hausbar erzähle ich ihm von meinen „Irrwegen“. Aber immerhin sind wir nun dem E 3 auf der Spur. Hans ist ein wenig enttäuscht, heute Abend alleine auf Kneipenbummel gehen zu müssen. Aber ich will wenigsten morgen klar im Kopf sein.

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