D- 07743 Die Papiermühle in Jena

Sechshundertjährige  Mühlengeschichte

Im Herbst 2023 lernten wir bei unseren Touren auf der Saale-Horizontalen den traditionsreichen Braugasthof Papiermühle kennen. Am Ende der 7. Etappe (auf den Spuren Napoleons) haben wir uns hier bei anbrechender Dunkelheit eine genussvolle Einkehr gegönnt und am nächsten Morgen starteten wir von dort auf die 8. Etappe. Eigentlich wollten wir hier nur die Zeit bis zur nächsten Busrückfahrt vom Mühltal ins Stadtzentrum überbrücken. Aber das hausgemachte Bier war einfach unwiderstehlich.

Das tolle Ambiente, von dem wohl auch Napoleon begeistert gewesen wäre, in Verbindung mit dem überaus freundlichen Service und die hohe Qualität der Speisen und Getränke haben dem Haus, das seit 1994 von der Familie Kanz geführt wird, einen hervorragenden Ruf eingebracht.

Es ist ein Lokal der gehobenen Preisklasse, was die Auswahl der Speisen betrifft. Die Atmosphäre war vergleichbar mit einer fröhlichen Jausenstation in den Alpen.

Wir kamen schnell mit den Tischnachbarn ins Gespräch und auch die Bedienung präsentierte sich in bester Laune. Das köstliche hausgemachte Bier war jedoch keineswegs zu teuer.

In einer Rauchpause konnten wir dann ein besonderes Angebot des Braugasthofs bestaunen: Riesige Bierflaschen mit der Aufschrift „Burschenpils“. Im Vergleich zu dieser Flasche wirkt ein Halbliter-Glas wie ein Schnapsgläschen.

Und diese Monsterflaschen bescherten der Papiermühle jede Menge Laufkundschaft. Während unseres 2-Liter-Aufenthaltes kamen zahlreiche Kunden mit dem außergewöhnlichen Leergut, um dieses wieder auffüllen zu lassen. Wie wir erfuhren, kostet die Falsche 15 Euro, wovon allerdings die Hälfte auf den Flaschenpfand entfällt. Klar doch: Touristen werden die Flasche nicht zurück bringen.

Soviel zum Hier und Heute des Braugasthofs am Westrand der Stadt Jena. Über den nachfolgenden Link Zur Geschichte des Hauses – Papiermühle (jenaer-bier.de) findet man einen interessanten Beitrag zur Geschichte des Hauses. Der Referendar Gerhard Buchmann hatte umfassende Informationen zusammengetragen und die „sechshundertjährige Mühlengeschichte“ auf 30 Seiten niedergeschrieben. An dieser Stelle ein Auszug in dessen Worten.

Obwohl sie schon eine Weile in Betrieb gewesen sein muss, finden sich urkundliche Erwähnungen der Mühle erst aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Der erste Name, „Nasenmühle“, lässt sich darauf zurückführen, dass die Mahlmühle nahe der Nasenkuppe und nahe einer Quelle zur Leutra, dem Nasenborn, zu finden ist. Wie mindestens sieben weitere Mühlen wurde auch die Nasenmühle wohl 350 bis 400 Jahre lang durch die damals strömungsstarke Leutra betrieben und wechselte des öfteren den Besitzer.

1657, es war Ende Oktober, kaufte der Papiermacher Schmidt aus Oberweimar die alte Mühle von den Erben des letzten Müllers. Da ihm der Umbau der Mahlmühle zur Papiermühle nicht gestattet wurde, errichtete er nebenan ein neues Gebäude, in dem Papier hergestellt werden konnte. Bedarf hatte man damals genug, denn die Studenten und Professoren der Universität benötigten jede Menge Papier und an die Gasthäuser ließen sich regelmäßig Bierfilze verkaufen. Ein eigenes Wasserzeichen besaß die Papiermühle auch, es zeigte ein Schildchen, oben mit der sächsischen Raute, darunter mit einer Weintraube als Zeichen für die Stadt Jena, in der damals der Weinanbau noch blühte.

Wie zuvor die Mahlmüllerfamilien wechselten nun die Papiermüller, nach Schmidt kamen die Familien Kunstmann-Hertel, Bose und ab 1799 wieder eine Familie Schmidt. Die durften dann auch miterleben, wie in der Nacht zum 14. Oktober 1806 französische Truppen auf dem Weg zur Schlacht bei Jena und Auerstedt vor der Mühle campierten und das Räderwerk, Holz und Stroh in ihren Lagerfeuern verheizten. Nach der Familienüberlieferung soll Johann Schmidt gezwungen worden sein, den Truppenteilen den Weg nach Cospeda zu zeigen. Während er sie die Cospedaer Höhe hinaufführte, lief ein Knecht in seinem Auftrag auf dem kürzesten Weg durch das Metztal ins Dorf, um die Bauern dort noch rechtzeitig zu warnen.

1860, nach 200 Jahren also, wurde die Papierherstellung eingestellt. Die Industrialisierung war für eine Papiermühlenwirtschaft zu weit fortgeschritten. 1891 begann durch den Käufer Emil Tittel der Umbau zur oben in der Anzeige erwähnten Gastwirtschaft, die mehrere Jahrzehnte bestehen sollte. Zu DDR-Zeiten befand sich im vorderen Haus eine HO-Gaststätte, während das hintere als Lagerraum für die Großbäckerei und Zeiss genutzt wurde, wodurch es immer weiter verkam.

1994 schließlich erstand Familie Kanz Gebäude und Grundstück, um den heute florierenden Braugasthof entstehen zu lassen. Fast über alle Jahrhunderte hinweg wurde die Mühle, „die da liegt zu Jena vor der Stadt“, durch Familienunternehmen betrieben: erst durch die Mahlmüller, dann durch Papiermüller und schließlich durch die Gastronomen. (O-Text Ende).

Wir werden die Papiermühle beim nächsten Jena-Besuch wieder ansteuern, auch wenn wir uns dann anderen Etappen auf der Saale-Horizontale widmen wollen. Alleine schon, um eine der Monster-Bierflaschen zu erbeuten. Mit einer solchen kann man seinem Hausarzt, Arbeitgeber oder dem/der Lebensgefährt/in versichern: Habe nur EINE Flasche Bier getrunken. Zum Wohl!

Übrigens kann man auch in der Papiermühle übernachten. 24 Zimmer bieten Platz für 45 Personen.

Kontaktdaten:

Braugasthof Papiermühle
GmbH & Co.KG
Erfurter Str. 102
07743 Jena

Tel. 03641 – 45 98 0
Fax 03641 – 45 98 45

Anfragen/Buchungen für Hotel und Restaurant:
gast@jenaer-bier.de

 

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