2023 Zwei Jahre nach der Flut – Zu Gast in Ahrweiler

Teil 1: Ankunft in Ahrweiler

Rund 175 Kilometer sind es von meiner Heimatstadt Lich in Oberhessen bis ins Ahrtal. Über die B 49 bis an die A 3 bei Limburg, vom Dernbacher Dreieck auf der A 48 bis zum Autobahnkreuz Nr. 9. – Koblenz – und auf der A 61 weiter bis zur Ausfahrt Nr. 33 – Wehr, Nürburgring und Kempenich. Eine problemlose Fahrt, die auch auf der B 412 stau- und stressfrei blieb. Als ich dann aber auf den kleinen Kreisstraßen steil abwärts in Richtung Ahrweiler weiterfuhr, konnte ich erahnen, mit welcher Energie die Wassermassen im Juli 2021 ins Ahrtal brausten.

Zwei Jahre und zwei Monate lang ist die Katastrophe schon her. Für viele Menschen im Ahrtal ist sie aber noch längst nicht beendet. Auf der steilen, endlosen Serpentinenstraße häuften sich die Baustellen, je mehr ich an Höhe verlor. Und ohne die provisorische Stahlbrücke des THW hätte ich meinen Zielort Ahrweiler gar nicht erreicht.

Mein VW-Bus war auf Camping, aber auch auf Übernachten im Bus eingerichtet. Dass der Campingplatz in Ahrweiler den Fluten zum Opfer gefallen ist, hatte ich schon im Internet erfahren. Wie schlimm es diesen Campingplatz getroffen hat, konnte ich erst später bei einer Wanderung feststellen.

Direkt am Ahrtor fand ich einen kostenlosen Parkplatz vor der alten Stadtmauer. Kostenlos nicht zuletzt deshalb, weil die Fluten natürlich auch die Zahlsysteme weggerissen hatten. Der ganze Bereich um die ehemalige Brücke ist von Bauzäunen und Baucontainern umringt.

Verbotener Weise betrete ich die Baustelle und schaue mit die Abbruchstelle der Brücke an. Die Ahr führt derzeit so wenig Wasser, dass man an vielen stellen ohne schwimmen zu müssen das andere Ufer erreichen könnte. Mit welcher Wucht muss die Flut diese Brücke weggerissen haben.

Teil 2: Vom Ahrtor zur Laurentius-Kirche

Mit Bad Neuenahr gehört Ahrweiler zu einer Doppelstadt, die sich gerne als Rotwein-Metropole propagiert. Auf einer Infotafel zum AHRRADWEG direkt am Ahrtor ist folgendes zu lesen (O-Text): Die beeindruckenden Stadttore mitsamt der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Stadtmauer und der historische Stadtkern prägen die geschichtsträchtige Atmosphäre Ahrweilers. In den kleinen und gemütlichen Gassen mit wunderschönen Fachwerkhäusern flanieren Besucher durch den historischen Teil der Rotweinmetropole Ahrweiler bis hin zum Marktplatz. Dort lohnt im Zentrum der Altstadt die St. LAURENTIUS-KIRCHE als älteste gotische Hallenkirche im Rheinland einen Besuch“. (O-Text ENDE).

Auf dieser Tafel wird auf weitere Attraktionen verwiesen, die wir später noch kennenlernen werden. Für interessierte Gäste ist das Ahrtor, das mächtigste Tor des Ahrweilers Stadtmauerrings, einer von zwei Treffpunkten für Führungen unter verschiedenen Aspekten. Zentraler Treffpunkt ist nur wenige Schritte weiter in der Fußgängerzone (Ahrhutstraße) links am Blankartshof. Hier befindet sich das Tourismusbüro zurzeit in einer kleinen Holzhütte. Auch hier standen die Wassermassen am 14. Juli 2021 meterhoch.

Meine Beträge sollen dazu dienen, den Tourismus im Ahrtal zu unterstützen. Deshalb schon einem die Kontaktdaten: Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler e.V., Oberstr. 8,
53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler, Tel.: 02641 / 9171-0, info@ahrtal.de

Der Marktplatz – zwei Meter unter Wasser

An einer der Gaststätten auf dem Marktplatz in Ahrweiler zeigt eine Markierung wie hoch das Wasser am 14. Juli 2021 stand. Der Schaden belief sich nach einer Schätzung des Landkreises auf 3,7 Milliarden Euro. Über 130 Menschen kamen ums, Leben, Tausende wurden obdachlos. Entlang der Ahr wurden 200 Hektar Fläche überflutet und Hunderte Häuser einfach weggerissen. Wo sich heute wieder die Touristen von der Gastronomie verwöhnen lassen, hätte man in jenen Tagen nur tauchen können. Gesehen hätte man dabei in der Dreckbrühe wohl nichts.

12.000 Schritte durch den Stadtkern

Genau soviel hat meine Garmin-Uhr am Tag meiner Ankunft mitgezählt, ohne dass ich einer bestimmten Wanderroute gefolgt bin. Dabei habe ich mich fast nur innerhalb der geschichtsträchtigen Stadtbefestigung aus dem 13. Jahrhundert bewegt.

Unter anderem entdeckt habe ich die Stadtgalerie Weißer Turm. Auch dieses Bauwerk mit seiner Barockhaube aus dem Jahr 1668 stammt aus dem 13. Jahrhundert und wird nach den Rittern von Staffel, die hier ihren Adelssitz hatten, auch Staffeler Turm genannt.

Auf dem weiteren Weg bestaune ich ein großes Wasserrad und gelange dann zum Schützenmuseum.

Seit 2002 betreiben die drei Ahrweiler Schützengesellschaften ein Museum mit kunsthistorischen Schätzen aus den vergangenen drei Jahrhunderten. Zu sehen sind Uniformen und Bilddokumentationen, historische Schützengewehren und vieles mehr. Vorher war dieses Museum in der Alten Stadtwache auf dem Ahrweiler Marktplatz beheimatet. Wie auf der Website der Schützen zu lesen ist, erwarben die Ahrweiler Bürgerschützen im Jahr 2013 die Blankart`sche Scheune von der Stadt. „Nach Renovierung und Umzug bot sich für uns die Möglichkeit, die Schätze des Museums in einem ganz neuen Licht darzustellen und so die Schützentradition in Ahrweiler erlebbar zu machen“, heißt es auf der Homepage.

Ein Blickfang ist auch die Burg Adenbach. Hier wird uns auf einer Tafel folgendes erläutert: (O-Text): „Ursprünglich stand hier der Kolventurm (Stammsitz der Ritter Kolf von Ahrweiler), einer der drei Wohntürme Ahrweilers. Der langgestreckte zweigeschossige Wohnbau mit achteckigem Treppenturm entstand vermutlich um1600. 1775 befand sich das Anwesen im Besitz der Familie von Wenge (…). 1903 erhielt das Gebäude durch Turmaufbau und Zinnen einen burgähnlichen Charakter. (O-Text ENDE).

Die Stadtbefestigung

Die ringförmige Ahrweiler Stadtmauer um den Stadtkern ist eine der Hauptattraktionen. Ihr und ihren vier Stadttoren konnten auch die Wassermassen vom 14. Juli 2021 nichts anhaben. Besucher bekommen in der Regel zunächst das Ahrtor mit seinem Wehrgang zu sehen.

Auch ich bin zunächst auf dem Parkplatz, der von Bauzäunen, Baucontainern und Baustellen zur Ahr hin geprägt ist, angekommen. Wenn man die Altstadt gradlinig in nordwestlicher Richtung durchmarschiert (Ahrhutstraße, Marktplatz, rechts an der St. Laurentiuskirche vorbei und Adenbachhutstraße), erreicht man das Adenbachtor, das nicht minder imposant ist. Es ist das Tor zum Rotweinwanderweg und zum Ahrsteig und zur Bundesstraße 267.

Geht man vom Marktplatz in südwestlicher Richtung (über Altenbaustraße, Steinfelder Gasse und Oberhutstraße), kommt man an das Obertor. Hier finden wir an einer kleinen Tafel einige Informationen zur Stadtbefestigung und Stadtwerdung (O-Text):“Landesherr Konrad von Are-.Hochstaden, Erzbischof von Köln, bestätigte 1248 Ahrweiler die Stadtrechte: Selbstverwaltung und Mauer-, Markt-, Maut- und Münzrecht ab 1255. Stadtbefestigung: Mauerring mit Wehrgang, Wassergraben, 4 Tore mit Zugbrücken und Fallgatter. Wehr-Zwischentürme oval mit Längsachse Obertor-Niedertor, Breitachse Ahrtor-Adenbachtor. Wallgraben ca. 30 m breit, 8 m tief. Zufluss durch Adenbach, Giesemer Bach, Mühlteich an Nordseite. Erhalten sonst Parkplätze und Grünanlagen, Bewachung durch die vier Huten“. (O-Text ENDE).

Nur wenige Schritte davon entfernt befindet sich das Hotel Rodderhof mit seinem einladenden Weingarten. In Ermangelung von Wasser und Strom überlege ich mir, ein Zimmer zu mieten. Allerdings wollte ich dann doch keine 85-130 Euro für ein Einzelzimmer bezahlen.

Und sicherlich hätte ich vorher buchen müssen, denn in der Stadt herrschte touristischer Hochbetrieb. Fehlt nach das Niedertor ganz im Osten des Stadtkerns. Nachdem ich diesen durchschritten hatte, fand ich einen Parkplatz mit öffentlichem WC. Vielleicht die ideale Übernachtungsstätte. Leider aber wurde das WC nachts verschlossen und bei einer vorherigen Besichtigung hatte ich schon festgestellt, dass hier Vandalen gehaust hatten. Die Suche nach dem idealen Übernachtungspunkt musste also weiter gehen.

Abschluss des ersten Tages

Eine wahre Flut an Eindrücken ist am ersten Tag im Ahrtal auf mich eingeprasselt. Ich habe Mut und Hoffnung, prachtvolle Fachwerkhäuser im Licht eines herrlichen Septembertages, Spuren der Zerstörung und der Unerschütterlichkeit der Einwohner gesehen und erlebt.

Wut und Enttäuschung über die Versäumnisse bei der größten Katastrophe im Ahrtal richten sich weniger an die Bundesregierung als an Kommunalpolitik. Das konnte ich aus vielen Gesprächen heraushören. Warum konnte die Bevölkerung nicht früher gewarnt werden?

Während ich vor dem Schlafengehen noch einmal den Standort wechsele und zum Parkplatz am Ahrtor zurückkehre, frage ich mich, ob eine solche Katastrophe nicht schon bald wieder passieren könnte. Lässt sie sich in Zukunft überhaupt verhindern oder eindämmen? Dieser Frage werde ich in den nächsten Tagen weiter auf den Grund gehen.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert