D-36269 Im hessisch-thüringischen Grenzbereich

Erlebniswochenende mit dem BSC Lich

Eine Reise in die Heimatstadt unseres Wanderkameraden Charly Mews war schon lange überfällig. Am ersten Februar-Wochenende hat es endlich mal geklappt. Mit sechs Personen (Biggy, Britt, Thomas, Merlin, Charly und ich) machten wir uns auf die Reise über die A5 und A4 bis zur B 62 bei der Ausfahrt Friedewald und waren dann schnell in Philippsthal, unmittelbar an der hessisch-thüringischen Grenze. Wir durchfuhren dabei den riesigen Bergwerkskomplex der Grube Merkers und fanden nach einem Umweg über Vacha dann auch unser Hotel Rhönblick, in dem wir drei Doppelzimmer gebucht hatten.

Unsere Damen ließen es sich nicht nehmen, nach dem Check-In einen Spaziergang durch den Grenzort mit seinem prächtigen Schloss und dem Schlosspark zu unternehmen. Die Herren zogen es vor, mit Charly das Wiedersehen mit seinem alten Kumpels live zu erleben. Da sind so einige Liter Grevensteiner, Krombacher oder Schwarzer Hahn geflossen und auch mit Schnapsrunden wurde nicht gegeizt. Nach einem hervorragendem Abendessen (besonders Dorsch und Forelle wurden in den höchsten Tönen gelobt) ging es für zwei Stunden einen Stock tiefer auf die Kegelbahn. Als einstige Landesmeisterin war Biggy nicht zu schlagen. Krönender Abschluss war eine rauschende Party mit Gitarrenmusik, bei dem es nicht nur für mich, sondern auch für Charly Riesenapplaus gab. Da wurde bis tief in die Nacht gefeiert, und einige von uns wissen gar nicht mehr so genau, wie sie letztlich in ihr Hotelbett gekommen sind…

Samstag, 4. Februar 2023. Endlich mal ein bisschen Sonnenschein. Dem stand allerdings ein heftiger Brummschädel gegenüber, so dass man sich auf eine relativ kurze Wanderstrecke über 7,8 km einigen konnte. Diese hatte ich mir über Komoot vorher ausgedruckt.

Wir konnten direkt vom Hotel auf die Strecke gehen und entdeckten auf dem Weg in Richtung Vacha unter anderem die Markierungen des Lulluspfades (X 16) und des Nadelöhrweges (+ 32).

Auf der Vachaer Straße marschierten wir auf einem gepflasterten Weg an einem Reiterareal vorbei, erreichten bald die Biotope im Überschwemmungsbereich der Werra und einen kleinen Brunnen. Dahinter befindet sich ein großer Steinbruch, in dem Charly nach eigenem Bekunden als Kind mit seinen Freunden gespielt hatte.

Bald kam die berühmte „Brücke der Einheit“ ins Blickfeld. Davor aber befand sich noch ein geschichtsträchtiges Bauwerk, dass rein äußerlich betrachtet kaum großes Interesse erwecken würde.

Das „Haus auf der Grenze“. Hierzu ist auf einer Infotafel folgendes zu lesen (O-Text): „Das Haus Hoßfeld mit Wohnhaus und Druckerei wurde 1890 unmittelbar an der thüringischen Grenze in Preußen erbaut. Als Firmensitz war Philippsthal-Vacha eingetragen, da die Steuern im damaligen Preußen niedriger waren als in Thüringen. Die Firme erweiterte 1924 ihre Räume über die Landesgrenze hinaus und verlegte die Druckmaschinen auf thüringisches Gebiet (…).

Als sich nach dem 2. Weltkrieg die Grenze nach und nach schloss, entstand ein Kuriosum: Die Grenze zwischen den Machtblöcken verliefen mitten durch das Hoßfeldsche Haus. In der Silvesternacht 1951/52 wurden von der Familie Hoßfeld die Druckmaschinen wegen der Gefahr der Enteignung in den hessischen Gebäudeteil gebracht und die Verbindungstür zum Ostteil des Hauses wurde zugemauert.

Daraufhin verwehrte die DDR der Besitzerin jeglichen Zugang zu dieser Haushälfte. Erst im Jahr 1976 übergab die Grenzkommission beider deutscher Staaten das thüringische Zwölftel wieder an Frau Hoßfeld zur Benutzung. Die Grenze verlief nun in einigen Metern Abstand um das Haus herum.“ (O-Text Ende).

Eine wirklich kuriose Geschichte. Wir marschierten nun weiter in Richtung Werrabrücke und fanden auch zu dieser interessante Erläuterungen.

Auf einer Tafel zum „Grenzwanderweg in der Wartburgregion“ erfahren wir, dass die Werrabrücke bereits im frühen Mittelalter auf der alten Frankfurt-Leipziger Straße eine große Rolle spielte. Schon um 786 grenzten hier die Territorien der Klöster Fulda und Hersfeld aneinander. Im Wortlaut ist auf dieser Tafel folgendes zu lesen: „Stadt und Brücke werden 1186 als zum Stift Fulda gehörig erwähnt.

Im späten Mittelalter war die dreiarmige Werra durch zwei Brücken überspannt, die durch Hochwasser 1342 zerstört wurden. Ab 1600 wurden beide Brücken zu einem 17-bögigen Bauwerk mit über 200 Metern Länge verbunden. 1802-1806 reduzierte man die Brücke auf die heute noch vorhandenen 14 Bögen. 1813 erfolgte der Rückzug der bei Leipzig geschlagenen Armee Napoleons über Vacha. Die deutsche Wehrmacht sprengte 1945 zwei Bögen. Seit den 1950er-Jahren benutzten nur noch die Grenztruppen die Brücke. Dies änderte sich erst am 12.11.1989 mit der Grenzöffnung zwischen Vacha und Philippsthal“. (O-Text Ende).

Als „Brücke der Einheit“ wird die Werrabrücke seit dem 3. Oktober 1990 bezeichnet. Am anderen Ufer der Werra finden wir auch den „Einheitsmann“, den wir Mittelhessen auch in Gießen (Schiffenberger Tal, am Volksbankgebäude) schon gesehen haben. Die unübersehbare Figur aus glasfaserverstärktem Polyester entstand im Rahmen eines Kunstprojekts zum 25-jährigen Einheitsjubiläum. Der Schöpfer dieser Figur, Otmar Hörl, ließ sich vom Ost-Berliner Ampelmännchen inspirieren. Wir überqueren die Bundesstraße B 62 und kommen nach Vacha.

Wir überqueren die Bundesstraße 62, die innerorts in nördlicher Richtung Hersfelder Straße und in südlicher Straße Werrastraße heißt, gehen durch das „Untertor“, so sich das historische Pfarrhaus befindet. Dreiteilige, dunkelblau untermalte Wegweiser mit QR-Codes und mit den Namen örtlicher Persönlichkeiten versehene Infotafeln begleiten uns auf einem historischen Rundgang.

Die erste dieser Tafeln erinnert an einen Söldner, der im 30-jährigen Krieg seine Erlebnisse über den Zeitraum von 24 Jahren notierte und somit ein wichtiges Dokument dieser Zeit hinterließ. Peter Hagendorf legte im Laufe seines Söldnerlebens von 1625 bis 1649 zu Fuß und zu Pferd 24.000 Kilometer durch Europa zurück und verlor dabei Frau und Kinder. Hier ein Auszug aus dem Jahr 1640 (O-Text): „Um diese Zeit ist bei uns solch große Kälte gewesen, dass wir im Lager bald sind erfroren. Auf der Straße sind diesmal 3 Personen erfroren, ein Reiter, ein Weib und ein Junge. Dies ist geschehen am 7. August im Jahr 1640. Bei Vacha aufgebrochen und gezogen nach Hersfeld (…) Zitat Ende.

Weiter erfährt man auf dieser Tafel, dass die Stadt Vacha im Dreißigjährigen Krieg immer wieder von wechselnden Kriegsparteien eingenommen und besetzt wurde. Die zahlreichen Truppendurchzüge führten zu furchtbaren Hungersnöten und Epidemien wie die Pest. Von 415 Familien um 1600 blieben bis 1642 nur 43 übrig. Die gesamte Rhön hatte durch diesen Krieg mehr als 50 Prozent ihrer Bevölkerung verloren.

Ein Wahrzeichen der Stadt ist der 22 Meter hohe Storchenturm, zu dem auf dieser Tafel folgendes zu lesen ist: „Er stammt aus dem 15. Jahrhundert und wurde direkt vor die ältere Stadtmauer gesetzt. Im 30-jährigen Krieg war er ein hervorragender Aussichtsturm, um nahende Feinde auszumachen. Seinen Namen erhielt der Turm durch ein Storchennest, dass bereits um 1900 auf dem Turmhelm entdeckt wurde und nach längerer Unterbrechung seit 2000 wieder durch Storchenpaare besetzt ist.

Elisabeth von Thüringen betitelt eine weitere Infotafel auf dem historischen Rundweg. Der Landesfürstin, die sich stets in den Dienst von Kranken und Bedürftigen stellte, ist eine kleine Kirche im Sandweg gewidmet. Sie wurde 1906/7 erbaut, nachdem durch die beginnende Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr katholische Christen nach Vacha kamen und der provisorische Gebetsraum in der „Alten Münze“ am Markt aus allen Nähten zu platzen drohte.

Die „Alte Münze“ lernten wir wenige Schritte später im Stadtzentrum kennen.

Vacha, 1186 gegründet ist die älteste Stadt im südlichen Thüringen. Allein rund um den Markt findet man eine Vielzahl historischer Baudenkmäler. Zu diesen zählt die zurzeit zu Baumaßnahmen eingerüstete Widmarckt. Das 1613 vom Hersfelder Zimmermeister Hans Weber erbaute Prunkstück wird seit 1911 als Rathaus genutzt.

Mit dem aus dem gleichen Jahr stammenden Vitusbrunnen, dem Hotel Adler, dem Amtsgericht und der Einhorn-Apotheke prägen sie den oberen Markt. Auch diese Angaben haben wir inhaltlich einer Infotafel unmittelbar vor der „Alten Münze“ entnommen. Deren Anfänge reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück, als in Vacha noch die Äbte von Fulda regierten.

Auch finden wir den Hinweis auf eine Familienwanderung mit dem Titel „Vietche im Töpfche“. Diese kleine Zeitreise (5,5 km) erinnert an den tapferen Nachtwächter Vietche, der vor 400 Jahren die feindlichen Lager erkundete und nach seiner Gefangennahme in einen Topf mit siedendem Öl geworfen wurde. Dank der schützenden Hände des Heiligen Vitus, der selbst als 12-Jähriger auf diese Weise den Märtyrertod fand, überlebte er unversehrt.

Das Stichwort „Töpfche“ wurde am Markt von denen aufgegriffen, die einmal auf ein solches mussten. Kneipenbesuch stand auf dem Plan, und unser ortskundiger Freund Charly schlug seine damalige Lieblingskneipe „Scharfes Eck“ vor. Mit Googles Hilfe fanden wir dieses Lokal nach rund 1,5 km Fußmarsch, doch es war geschlossen. Wiederum mit Googles Hilfe wussten wir, dass das „Kellerhaus“ in der Bahnhofstraße zu diesem Zeitpunkt geöffnet war. Dort trafen wir uns nach noch einmal 800 Meter Fußmarsch auch mit unserer „Servicefahrerin“ Biggy wieder.

Das Lokal, dass sich heute als Pizzeria empfiehlt, war in der Mittagszeit stark frequentiert. Um rauchen zu dürfen, setzten wir uns auf die Terrasse und holten uns einen halben Liter Bier für günstige 3,70 Euro. Dann machten wir uns auf den Rückweg und mussten dazu zunächst wieder den Markt ansteuern. Dabei kamen wir auch an der 1821-24 erbauten evangelischen Johanneskirche mit ihrem romanisch-gotischen Turm vorbei.

Es war nicht ganz einfach, der Wegbeschreibung des komoot-Vorschlages zu folgen, da wir durch unsere Gastro-Extratouren nunmehr aus der entgegengesetzten Richtung kamen. Doch über die Braugasse, die Bachgasse und den Unterbreizbacher Weg kamen wir schließlich an den Lohberg und mussten dann einige anstrengende Höhenmeter überwinden.

Hier wurde wohl der Großteil der 150 Meter Anstiegssumme absolviert. Doch fast auf Gipfelhöhe musste uns ein Fehler unterlaufen sein. Bei Streckenkilometer 5,73 stand „rechts auf den Weg“ auf der Routenbeschreibung. Da wir aber in Vacha einige Zusatzkilometer bei der Kneipensuche absolviert hatten, konnten wir uns da über unsere GPS-Daten nicht mehr orientieren.

Wir marschierten auf die gewaltige Abraumhalde der Firma K+S zu und konnten einige schöne Aussichten auf das Werratal genießen.

Unser Weg durch das Feld wurde schmäler und immer verwilderter. Schließlich verschwand er vollständig und wir mussten rund 300 Meter durch den schlammigen Acker marschieren. Endlich kam der Ortsrand von Philippsthal in Sicht.

Ein steiler Pfad führte uns direkt auf der Grenzlinie Hessen-Thüringen zur Triftstraße hinab. Dann folgten wir noch etwa 400 Meter der Straße Am Lindig und anschließend der B 62 bis zur Brückenstraße. Nach Überschreitung der Werrabrücke bogen wir in die Parkstraße ein und durchwanderten den großen Stadtpark.

Im letzten Abschnitt unserer Tour lernten wir noch einige Sehenswürdigkeiten in Philippsthal kennen. Auf einer Tafel zum Werratal-Radweg vor dem barocken Schloss stellt sich Philippsthal als Erholungsort im „Land der weißen Berge“ zwischen den Ausläufern von Rhön und Thüringer Wald vor. Das Schloss, erbaut von 1685 bis 1735, war Residenz der Landgrafen von Hessen-Philippsthal. Im Südflügel des ursprünglich aus dem Kloster Kreuzberg entstandenen Schlosses befindet sich das Rathaus der Marktgemeinde Philippsthal/Werra.

Bei der Schlosskirche handelt es sich um eine romanische Säulenbasilika aus dem 12. Jahrhundert. Der Schlosspark erstreckt sich auf 50.000 Quadratmetern vom südlichen Schlossflügel bis an das Werraufer. Er ist fast vollständig von einer Sandsteinmauer umgeben und wurde in Form eines englischen Landschaftsgartens errichtet. Die Orangerie im unteren Teil des Parks wurde 1731 errichtet.

Repräsentativer Hauptzugang zum Schloss war das 1734 erbaute Torbogenhaus. Das eindrucksvolle Bauwerk mit seinem Mansardfdach dient heute als Grenzmuseum.

Von hier waren es nur wenige Schritte bis zu unserem Hotel Rhönblick. 10,8 Kilometer bei 150 Höhenmetern Anstiegssumme konnte uns Thomas von seiner Wander-App bestätigen. Während manche zum viel gelobten China-Lokal in Philippsthal wanderten, ließen sich andere wieder von der guten Küche unseres Hotels verwöhnen. Dann stand die Fußball-Bundesliga mit Siegen für Frankfurt, Bochum und Dortmund auf dem Programm. Da floss wieder reichlich Bier und Schnaps. Beim anschließenden Kegeln siegte erneut unsere Biggy (aber ich warf den einzigen Neuner!). Krönender Abschluss war auch am Samstag wieder ein gemütliches Beisammensein mit Gitarrenmusik und vielen neu geschlossenen Freundschaften. Am 29. Juli 2023 wollen wir zum Geburtstag von Wirt Uwe wieder im Philippsthaler „Rhönblick“ sein. (ENDE)

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