D-1521 Auf dem Lutherweg

Von Utphe nach Berstadt (3 km)

Auf dem Abschnitt zwischen dem Hungener Stadtteil Utphe und dem Wölfersheimer Ortsteil Berstadt überschreiten wir nicht nur eine Gemeindegrenze sondern auch die Grenze vom Landkreis Gießen und dem Wetteraukreis. Wie schon auf dem Abschnitt zwischen Münzenberg und Rockenberg (Nordroute) führt uns der Weg durch reines Ackerland. Vor dem Verlassen der Ortsgrenzen verweisen die Erschaffer des Lutherweges mit Schildern darauf, dass man mit Rücksicht auf die Landwirtschaft auf Wegweiser im freiem Feld verzichtet hat und den Wegverlauf auf einer kleinen Tafel beschreibt.

Wie auch in Rockenberg wurde eine solche Tafel nur für Wanderer in Richtung Eisenach angebracht. Als wir in Utphe losmarschierten, fanden wir eine solche Tafel nicht vor. Deshalb sind wir auch um eine Kreuzung zu früh nach links abgebogen und auf Berstadt zumarschiert. Wir kamen auch so zum Zielpunkt, mussten aber dann in Berstadt große Umwege gehen, um zum Anknüpfpunkt am so genannten Tanzhof zu gelangen. Auf dem Rückweg war alles ganz einfach…

Meine Begleiterin war am 2. Sonntag im Januar 2021 Britt Dannewitz, die wie ich Mitglied des Vereines „Kleine Wanderwelt Arbeitskreis Mittelhessen“ ist. Es war die Zeit des zweiten Lockdowns, in dem es nicht erlaubt war, mit mehreren Personen auf Wanderschaft zu gehen. In dieser Zeit sah man auch auf wenig attraktiven Wegen eine große Anzahl an Wanderern und Spaziergängern.

Britt und ich hatten uns am alten Rathaus in Utphe verabredet. Sie hatte bereits zuvor schon den Abschnitt um den Oberen Knappensee alleine erwandert und die Beschilderung des Lutherweges kennengelernt. Der Wegweiser vor dem historischen Hofgut Utphe hat uns die Entfernung zum nächsten Etappenort Berstadt (3 km) verkündet.

Von diesem Wegweiser aus gehen wir links am alten Rathaus vorbei und gelangen über die Weedstraße an die Hauptstraße (B 498/Berstädter Straße). Die Markierung des Lutherweges führt uns an dieser Stelle nach rechts weiter an der Gaststätte „Zum Löwen“ vorbei (zu jener Zeit wegen der Corona-Pandemie geschlossen).

Schon nach ca. 50 Metern biegen wie von der Berstädter Straße nach links in die nächste Nebenstraße ein. Dass es sich hier um die Straße „Vor den Obergärten“ handelt, konnten wir nur über google maps ermitteln. Am Ende dieser Straße biegen wir links ab und wandern an Gartenzäunen entlang bis zur Feldstraße.

An diesem Punkt haben wir uns zuletzt darüber gewundert, warum man ein so umständliche Wegführung gewählt hat. Es wäre einfacher und kürzer gewesen, von der Einmündung der Weedstraße in die Berstädter Straße nach links weiter zu gehen und dann gleich in die Feldstraße einzubiegen. Ob es wohl dazu einen historischen Bezug zu Luthers Wanderroute gibt?

An der Feldstraße angekommen gehen wir nach rechts weiter, lassen die Weyerstraße links liegen und marschieren geradeaus in Richtung West-Nordwest aus dem Dorf.

Nach ca. 400 Metern gelangen wir an eine Abzweigung. Keine Markierung zu sehen. Meine Begleiterin Britt ist sich jedoch sicher, dass das linker Hand zu erkennende Dorf Berstadt sein müsste. Also biegen wir hier links ab und wandern an einem Grünstreifen mit einigen interessanten Pflanzen.

Wie sich später herausstellte, war es der falsche Weg. Wir sind zwar auch auf diesem Weg zum Zielort Berstadt gekommen, mussten dann aber innerorts bis zur Hauptstraße (Licher Straße /B489) zurück gehen, um dann über die Bismarckstraße zum Zielpunkt zu kommen.

Richtig ist, den besagten Abzweig nach dem Grünstreifen und geradeaus weiter durch das Feld zu gehen, bis man an einen asphaltierten Querweg stößt. Hier geht es dann nach links weiter bis nach Berstadt.

Wir gehen rechts an einer Feldscheune vorbei und erreichen die Dorfgrenze. Hie finden wir die eingangs erwähnte Tafel mit der Wegbeschreibung, die wir in unserer Gehrichtung vermisst haben (und deshalb zu früh abgebogen sind).

Wir passieren die Mehrzweckhalle, in der sich auch ein Gaststätte befindet. Zu Corona-Zeiten war diese natürlich geschlossen.

In der Hoffnung, dass die Gaststätte den zweiten Lockdown übersteht, hier ein Ausschnitt aus der Speisekarte:

Vor der Mehrzweckhalle findet man eine kleine Tafel an einem Gedenkstein, der an die 1200 Jahrfeier des geschichtsträchtigen Dorfes „Berschd“ im Jahr 2017 erinnert. Der Ort wurde demnach 817 erstmals urkundlich erwähnt.

Wer mit Kindern unterwegs ist, sollte den Spielplatz gegenüber der Mehrzweckhalle nicht übersehen.

Wir befinden uns in der „Oberpforte“ und nähern uns auf dieser dem Dorfzentrum. Zahlreiche Fachwerkhäuser fallen uns auf. Auf vielen der alten Häusern sind Tafeln zur Geschichte des Hauses angebracht.

In der Oberpforte finden wir dann eine erste große Info-Tafel zum Lutherweg vor. Die letzte zuvor hatten wir in Nonnenroth gefunden. Auf dieser Tafel wird die Sage von der Berstädter Treppenpredigt erläutert.

Im Wortlauf heißt es (O-Text): An einem Apriltag des Jahres 1521 hatten sich viele Einwohner Berstadts vor der Oberpforte versammelt. „Ich glaawe, mer wearn wirrer geuhzt“, sagte Scholdese Hannes, e kimmt nait hai edorch.“ „Eann s eass doach wohr, e fiehrt durch uus Doarf!“ rief ein anderer. Neugierig blickten alle den Feldheimer Weg entlang. Sie warteten auf Martin Luther. Jeder wollte den berühmten Mönch sehen, der die 95 Sätze an die Tür der Schlsskirche zu Wittenberg geschlagen hatte.

Fast vier Jahre dauerte nun schon der Kirchenstreit. Der Papst hatte Luther mit dem Kirchenbann, der höchsten Kirchenstrafe belegt. Der Kaiser hatte den unerschrockenen Mönch auf den Reichstag nach Worms vorgeladen. So standen nun an dem unfreundlichen Apriltag Männer, Frauen und Kinder an der Landstraße und warteten. „Do hinne kimmt de Waal“ rief plötzlich ein Junge.

Und wirklich, vom Feldheimer Wald her näherte sich ein Planwagen. Es dauerte fast noch eine Stunde, bis er die Oberpforte durchfuhr. Voran ritt der Reichsherold Kaspar Sturm. Er hatte den Auftrag, Luther nach Worms zu geleiten und für seine Sicherheit zu sorgen. Auf dem Wagen, der nun über die holperige Dorfstraße fuhr, saßen Luther und zwei Mönche. Nebenher ritten ein paar Bewaffnete.

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Ankunft Luthers verbreitet. Das war ein Gedränge in der Obergasse. Jeder wollte den berühmten Mann sehen. Vor der Dorfschenke hielt der Wagen. Der Reichsherold stieg vom Pferd. „Wir wollen eine kurze Rast einlegen“, sagte er. Die Reitknechte kümmerten sich um die Pferde, und Luther und seine Begleitung stiegen die Treppe zu Bennersch Haus empor. Das war damals die Dorfschenke. Sie lag neben Kirche, Pfarrhaus und Mainzer Hof. Der hieß so, weil er dem Erzbischof von Mainz gehörte.

Auf der Straße drängten sich die Menschen. „Ei, wai wersch dann, wann de Luther emool prerige det“, sagte eine Frau. Gleich waren alle dabei. Jeder wollte den Mann hören, von dem seit 1517 in ganz Deutschland gesprochen wurde und der nun auf dem Reichstag seine Lehre und seine Bücher vor dem Kaiser, den deutschen Fürsten und den Bischöfen verteidigen wollte. Die Bauern von Berstadt riefen und schrieen „De Luther soll schwätze, ider kimmt e nait vo hai fort!“Was sollte Luther tun? Von der Treppe des Gasthauses aus hielt er eine kurze Predigt., In die Kirche durfte er nicht, weil er gebannt war. Die Berstädter jubelten ihm zu, als er den Wagen wieder bestieg. Sie gaben ihm noch das Geleit bis zur Zingelpforte. Bald war Luther ihren Blicken entschwunden, als er mit seiner Begleitung nach der Reichsstadt Friedberg weiterfuhr“. (O-Test Ende).

Ob diese Geschichte tatsächlich war ist, lässt sich nicht mit Sicherheit klären. Auf derTafel wird erläutert, dass einige Indizien dafür sprechen. Durch Berstadt und seine Oberpforte führte die Route der Altstraße „Kurze Hessen“, ein mittelalterlicher Haupthandelsweg. Das am Wege liegende Gemeindewirtshaus beherbergte seinerzeit zahlreiche Durchreisende. Auf der Tafel erfährt man auch, dass Martin Luther eines mit der Berstädter Bevölkerung gemein hatte: Einen guten Bierdurst!

In der Oberpforte gilt es nun, bei allen interessanten Fachwerkbauten auf die Markierung zu achten. Bald geht es nach links über eine Treppe zur Kirche hinauf. Vor der Kirche finden wir eine weitere Tafel zum Lutherweg, die ebenfalls die Treppenpredigt umschreibt. Allerdings gibt es hier auch Informationen zur Berstädter Kirche, die am Bonifatiustag, dem 5.Juni, im Jahr 1255 erstmals erwähnt wurde. Aus dieser Zeit stammt das Mauerwerk des heutigen Kirchenschiffs und der Chorraum. 1312 wurde der Dachstuhl erbaut und im 17. Jahrhundert kamen der prächtige Turmhelm und die Kanzel dazu.

Man erfährt weiter, dass die Kirche vor der Reformation St. Trinitatis hieß und dass sich die Berstädter sehr früh der Reformationsbewegung angeschlossen hatten.

Der Weg führt uns rechts an der Kirche vorbei. Am rechten Wegrand blicken wir auf die 1908 erbaute Neue Schule. Wie an vielen Häusern des Ortes finden wir auch hier eine kleine Tafel zur Geschichte, die der Arbeitskreis Dorfentwicklung angebracht hat. Die Neue Schule wurde zunächst als Volsschule und später bis 2002 noch als Gruhndschule genutzt.

Wir befinden uns in der Licher Straße und stehen nach wenigen Schritten weiter vor dem Wasserturm. Dieser wurde von 1906 bis 1908 im Jugendstil erbaut. Der Wasserbehälter fasste ca. 54 Kubikmeter und wurde 1980 außer Betrieb genommen. Heute dient er dem Arbeitskreis Dorfentwicklung als Volkskundemuseum und Dokumentationszentrum.

Auf der anderen Straßenseite finden wir einen kleinen Brunnen vor, auf dem die Jahreszahl 1922 zu lesen ist.

Schließlich erreichen wir den Anknüpfpunkt zur nächsten Etappe. Ein Wegweiser gibt folgende Entfernungen an: Wölfersheimer See 5,3 km, Wölfersheim 7,2 km, Friedberg 19,7 km. In der Gegenrichtung: Hungen 9,4 km, Trais-Horloff 5,4 km und Utphe 3,0 km.

Wir erreichen den Tanzhof, dessen Geschichte und Bedeutung auf einer Infotafel erläutert wird. Davor befindet sich eine Bushaltestelle (Licher Straße). Die Linie 57 bringt ihre Fahrgäste nach Butzbach, die Linie 61 nach Wölfersheim und mit der Linie 363 geht es über Wölfersheim nach Friedberg.

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