Rund um den Harcov-Stausee
Der Sonntag, 14. Oktober 2018, war ein überraschend günstiger Reisetag. Obwohl in vielen deutschen Bundesländern die Herbstferien zu Ende gingen, mussten wir, Frank Joedicke und ich, nicht ein einziges Mal über einen Stau fluchen. Vielleicht hatten wir uns auch nur die richtige Richtung ausgesucht. Um 10.30 Uhr ging es von Lich aus los. Und während unsere Vereinskameraden vom BSC Lich einen 7. Platz in Rüdigheim erwanderten, brachten wir schon einmal die A 5 bis zum Kirchheimer Dreieck und dann die A 4 bis nach Erfurt hinter uns. Danach ging es abschnittsweise mir 220 km/h in Richtung Dresden/Görlitz weiter. Eine einzige kurze Rast wurde am „Rabensteiner Wald“ in Sachsen eingelegt. Auf dem Waldweg hinter dieser Raststätte sind wir vor einigen Jahren mit unserer Wanderkameradin Marion Teichmann aus Hohenstein-Ernstthal gewandert.
Auf der A 4 ging es bis Bauzen-Ost weiter, dann führte uns das Navi direkt bis in den Hof unserer Unterkunft, dem Inter Hostel Liberec. Die Begeisterung für dieses Quartier hielt sich zunächst einmal in Grenzen.
„Back in view minutes“ stand an der Rezeption, und so mussten wir erst einmal warten. Und nach dem Check-in stellten wir fest, dass wir uns inmitten einer Großbaustelle befanden. Wahrlich nicht die edelste Adresse in Liberec. Aber preislich nicht zu schlagen. Für 100 Euro hatten wir beide jeweils ein Zweibettzimmer mit Parzellendusche inklusive Frühstück für 6 Nächte.
Ein paar Worte zu unserem Hostel: Man sollte nicht größer als 1,85 m sein, denn sonst passen die Füße nicht mehr ins Bett. Ein Schrank, ein kleiner Schreibtisch, zwei Betten, ein Nachttisch mit Lampe und (immerhin) ein Kühlschrank sowie ein Minifernseher knapp unter der Decke. Die Glotze kann man vergessen. Nur 17 verfügbare Kanäle, davon sechs tschechische Radiosender.
Der einzige deutschsprachige Kanal war Eurosport, und dort lief fast ausschließlich Snooker. Aber wir sind ja nicht zum TV-Glotzen hier. Und wer als Raucher in die zweite Etage einquartiert wird, flucht sicherlich über die hohen Treppenstufen. Vielleicht ganz gut so, denn man raucht weniger. Im Treppenhaus findet man Bilder, die die Umwandlung des Hauses von einer Fabrik bzw. Werkstatt zu einem Hostel dokumentieren. Ein solcher Umwandlungsprozess findet sich auch im Fensterblickfeld Richtung Westen. Besser, man macht den Vorhang einfach zu.
Hört sich alles ein bisschen negativ an. Am Ende haben wir hier gut geschlafen und das Frühstück könnte ja dann mal ne positive Überraschung werden. Der Getränkeautomat im Frühstücksraum war allerdings schon mal „out of order“.
Nachdem Frank seinen Laptop per Hauscode ans Internet angeschlossen hatte, gingen wir auf die erste Erkundungstour. Wir hatten an der Rezeption einen Stadtplan bekommen. Leider war unser Hostel da nicht drauf und die Straßennamen waren so winzig, dass man sie selbst mit „Sehhilfe“ kaum lesen konnte. Wir wussten aber, dass wir weit im Südosten der 104.000-Einwohnerstadt einquartiert waren und fanden auch den „blauen Balken“. Von unserer letzten CZ-Tour wissen wir, dass es sich hier um den Wanderweg Jablonec –Liberec (11 km) handelt. Nur: In welche Richtung sollten wir Ihm folgen? Wir entschieden uns für rechts (müsste Richtung Südost gewesen sein). Wir passierten die Bushaltestelle Univerzitni Koleje. Diese Bushaltestelle wird für uns besonders wichtig werden, denn ab hier haben wir ÖPNV-Anschluss in fast allen Richtungen. Die Linien 15 und 29 bringen uns zur Zentralstation „Fügnerova“. Diesen Namen sollte sich jeder Liberec-Gast merken. Von der Station „Fügnerova“ verkehren jede Menge Busse und Straßenbahnen in alle Richtungen.
In unserer Straße „Trida Swobody“ marschierten wir an einem Sport-Cafe vorbei und folgten dem blauen Balken, bis wir merkten, dass wir an der Stadtgrenze angelangt waren. Wir wollten aber eher ins Zentrum, nicht zuletzt für eine Einkehr. Also: Kehrt Marsch in die Gegenrichtung.
Wieder an unserem Hostel vorbei erreichten wir bald ein Restaurant an einem Seepark. Der Schriftzug ist ebenso originell wie unleserlich (Billy Mlyn oder so…). Hier haben wir aber endlich einen Anhaltspunkt, wo wir überhaupt sind.
Wir befinden uns an der Talsperre Harcov (Prehrada Harcov), zu der wir auf einer Tafel folgendes erfahren: „Die Harzdorfer bzw. ReichenbergeTalsperre wurde in den Jahren 1902 bis 1904 erbaut und ist Teil des von Professor Otto Intze aus Aachen konzipierten Talsperrensystems des Isergebirges. Anlass hierzu gaben die verheerenden Überschwemmungen am Ende des 19. Jahrhunderts. Das Wasser der Talsperre wurde auch von der Firma Johann Liebig & Co zu Betriebszwecken genutzt.“ ZIT ENDE.
Wir stellten fest, dass der Sommer 2018 nicht nur den Edersee in große Wassernot brachte. Auch dieser Stausee war nahezu ausgetrocknet.
Man sah es besonders an einem Badesteg, der meterhoch aus dem Restwasser ragte. Obwohl die Badesaison längst vorbei ist, herrschte Hochbetrieb am Ufer.
Eine nette Kneipe bot sich zur Rast an. Aber zu einer Rast war es uns noch viel zu früh. Zudem stellten wir fest, dass es einen 2,5 Kilometer langen Rundweg um den Stausse gibt. Bestückt mir zahlreichen Infotafeln, keine davon jedoch in deutsch oder englisch.
Auf dem Rundweg wären wir natürlich schnell wieder zu unseren Ausgangspunkt zurück gekommen. Wir wollten aber noch mehr von Liberec sehen und gingen in Richtung Nordwesten weiter.
Seeblick nach Westen. Wer genau hinschaut, sieht den Jested (Jeschkenberg, 1012 m) als Spitze im Hintergrund.
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