Ein bisschen hübsch, ein bisschen hässlich
Der erstaunliche Wandel des kleinen Bergdorfes Şirince
Selçuk/Şirince (hzb). Es konnte dem Massentourismus nicht lange verborgen bleiben: Şirince, ein malerisches Dorf in der Nähe von Selçuk, war vor wenigen Jahren noch ein Geheimtipp. Mit seinen weißen Backsteinhäusern unterscheidet es sich deutlich von allen anderen türkischen Dörfern. Seit Jahrhunderten wird hier Wein angebaut. Doch nicht jene Weine und Fruchtweine aus Äpfeln, Pfirsich, Sauerkirschen und Erdbeeren sind es, die immer mehr die Neugier der in- und ausländischen Besucher geweckt haben. Das 350 Meter hoch gelegene Dorf kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken und steht heute komplett unter Denkmalschutz. Bis in die 1920er Jahre war der Ort ausschließlich von Griechen bewohnt. Im Vertrag von Lausanne wurde 1923 eine große Umsiedlungsaktion eingeleitet und in Şirince fanden Türken, die zuvor in der Umgebung von Saloniki lebten, ihre neue Heimat.
Weiße Backsteinhäuser prägen das Ortsbild
Nicht nur „ein bisschen hübsch“
Verschiedenen Quellen zufolge bedeutet Şirince soviel wie „hübsches Dorf“ oder aber auch „ein bisschen hübsch“. Man sagt, es sei überhaupt das einzige türkische Dorf, in dem Wein angebaut wird. Der Geschmack der Fruchtweine überzeugt nicht jeden Weinkenner, doch das mindert die Umsätze der ansässigen Weinhändler nur unerheblich. Die Gemütlichkeit der farbenfroh gestalteten Weinlokale ist einer der wesentlichen Gründe für den ständig wachsenden Besucherstrom. Heute quälen sich unaufhörlich Touristenbusse die sieben Kilometer lange, kurvenreiche Straße zum Dorf hinauf und in der Hauptsaison ist es schwer, noch einen Platz in den Restaurants zu finden. Zwischen den Lokalen befinden sich unzählige Souvenirshops, die alles, was die Region zwischen Kuşadası, Ephesus und Selçuk zu bieten hat, in Form von Figuren, Schmuckstücken, Bildern und Textilien zum Verkauf anbieten. Wer von der „Touristenmeile“ einmal in die Seitengassen abweicht, hat den Eindruck, dass hier die Zeit stehen geblieben ist. Die ursprüngliche Architektur des Dorfes ist weitestgehend erhalten geblieben. Die typischen weißen Backsteinhäuser mit ihren vielen weiten Fenstern und Ziegeldächern dominieren den Ort. Nach Originalvorbild restauriert wurden die so genannten Nişanyan-Häuser, die heute als Hotels und Pensionen fungieren.
Trotz Gipsfuß geht dieser Gemüsehändler seinem Gewerbe nach
Ein Dorfrundgang
Direkt vom großen Busparkplatz führt ein steiler Weg hinauf zum ehemaligen Schulhaus, in dem sich heute das allseits geschätzte Artemis Restaurant befindet. Das Haus ist nicht nur für seine regionalen Spezialitäten, sondern auch für den herrlichen Panoramablick weithin bekannt. Der Hauptstraße folgend erreicht man die kleine Kirche, die man nur mit viel Glück besichtigen kann. Weiter abwärts im Zentrum befindet sich die Moschee und unmittelbar davor eine Haltestelle der Minibusse nach Selçuk (8 km), Ephesus (11 km) und Kuşadası (28 km). Wenige Schritte weiter verkaufen die einheimischen Frauen Oliven, Olivenöl, Sirup, Tarhana, frisch gepflücktes Obst, Kräuter aus der Umgebung, hausgemachten Ziegenkäse, Handarbeiten und natürlich alle Arten von Fruchtweinen. Vom alten Backofen duftet es nach frischem Brot, das als besondere Köstlichkeit bekannt ist. Oberhalb des Zentrums befindet sich eine weitere Kirche, die erst kürzlich renoviert wurde. Hier findet man auch schmucke Bauten aus byzantinischen Steinen, die mit Löwenreliefs verziert sind. Dazwischen aber stehen auch einige verfallene Häuser, die offenbar unbewohnt sind.
Blick in eine Seitengasse von Şirince
Geschichte und Legende
Prospekte sowie private und öffentliche Internetseiten geben einen Einblick in Geschichte und Geschichten von und um Şirince. Schon im 5. Jahrhundert v. Chr. sollen sich hier die ersten Bewohner angesiedelt haben. Sie flüchteten den Chroniken zufolge vor Überschwemmungen und der Stechmückenplage im Delta des Flusses Küçük Menderes. Gerade die Bürger der Stadt Ephesus sollen Şirince vielfach als Sommerresidenz genutzt haben. Daher trug der Ort einst den Namen „Ephesus in den Bergen“. Nach weiteren Legenden wurde das Dorf von verbannten Bauern gegründet. Den Internetseiten einer Interessensgemeinschaft namens „Mymerhaba“ (www.mymerhaba.com) ist aus dieser Zeit zu entnehmen, dass jene Bauern ihr Dorf als „recht hässlich“ beschrieben. Daher verfügten die Feudalherren, dem Dorf den Namen Çirkince zu geben, was soviel wie „ein bisschen hässlich“ bedeutet. Dieser Name wurde erst revidiert, als 1924 der Gouverneur von Izmir zu Gast war und das Dorf nach einem herzlichen Empfang „ein bisschen hübsch“ fand. So sei dann der heutige Name „Şirince“ entstanden. Dass dieser Name besser zu dem kleinen Weinbauerndorf passt, wird jeder Besucher sicherlich bestätigen. Allerdings gibt es noch weitere Mutmaßungen, wie der Ortsname tatsächlich zustande kam.
Auch der Inland-Tourismus blüht
Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag entstand im Mai 2007
Empfohlene website: www.mymerhaba.com
Wichtige Anschriften:
Tourismusbüro Selcuk
Atatürk Mah., Agora Carsisi, No: 35
Tel: + 90 (232) 8926945
Fax: + 90 (232) 8926945
Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Izmir
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