2021 Unterwegs in der Böhmischen Schweiz

Von Hrensko zum Prebischtor

Nachdem unsere Wandergruppe am Anreisetag, 2. November, mit dem „Kuhstall“ das zweitgrößte Felsentor des Elbsandsteingebirges erklommen hatte, war am ersten Wandertag auf tschechischer Seite das größte auf dem Wanderplan.

Das Prebischtor ist mit 26 Metern Spannweite noch um einiges größer als die mächtige Felsenhöhle auf dem Wildenstein (337 m ü. NN) und liegt noch um etwa 100 Meter höher. Es ist das größte natürliche Sandsteintor Europas und gleichzeitig das beliebteste Besuchsobjekt im Nationalpark Böhmische Schweiz.

Für mich selbst war es bereits die siebte Tour von Hrensko oder Mezni-Luka zu diesem Wahrzeichen der Region. Doch wenn man „Neulinge“ in der Böhmischen Schweiz in seiner Wandergruppe hat, ist diese Wanderung einfach ein Muss.

Der Grenzort Hrensko (Herrenskretschen) an der Elbe (in CZ „Labe“ genannt) ist der tiefstgelegene Ort in der ganzen Republik und wer auf die obersten Regionen des Prebischtors hinauf will, muss mehr als 300 Höhenmeter auf wenigen Kilometern meistern. Da war der gestrige Aufstieg vom Lichtenhainer Wasserfall zum Kuhstall in der Sächsischen Schweiz im Vergleich eher eine lockere Aufwärmübung.

Insofern machten wir uns Sorgen, ob unsere Wanderkameradin Margit mit ihrer starken Erkältung da mithalten könnte. Wir versprachen, den Aufstieg im Schneckentempo anzugehen und das sollte letztlich auch funktionieren.

Von unserer Apartment-Wohnung, das zum gegenüber liegenden Hotel „U Lipy“ gehörte, bummelten wir zunächst gemütlich am Ufer der Kamnitz (Kamenice) durch das Städtchen in Richtung Elbe. Einerseits um noch etwas Proviant für den Weg einzukaufen, andererseits auch, um unsere Umgebung zu erkunden.

Vorbei an der mittlerweile renovierten kleinen Kapelle, an unzähligen Ständen der Asiaten und am Hotel Labe, in dem wir vor vielen Jahren bei unserer ersten Reise in die Böhmische Schweiz zu Gast waren. Noch immer wird dieses Hotel von einem mächtigen Felsbrocken bedrohlich überragt.

An einer Hauswand fanden wir die Hochwasserstände der letzten Jahre und konnten uns vorstellen, von welchen Katastrophen die Bevölkerung hier regelmäßig heimgesucht wird. Bis zum ersten Obergeschoss der Häuser an der Kamnitz war der Ort überflutet. Kein Wunder, dass so manche Hotels und Restaurants ihren Betrieb eingestellt hatten.

An der Einmündung der Kamnitz in die Elbe überquerten wir die Kamnitzbrücke und wollten uns auf der anderen Seite bei der Tourismus-Information mit Infomaterial versorgen. Vor allem wollten wir wissen, ob die Stechkähne in der Kamnitzschlucht in Betrieb sind. Doch wie bei so vielen anderen touristischen Einrichtungen auch gilt auch hier ab 31. Oktober nur noch ein „Notbetrieb“.

Wir konnten noch einen nostalgischen Ausflugsbus bestaunen und machten uns dann endlich auf den Weg.

Beim Gang durch den Ort wird so mancher Besucher darüber nachdenken, welchen Gefahren besonders die dauerhaften Bewohner von Hrensko stetig ausgesetzt sind. Hochwasser, das aus den Bergen in die Kamnitz schießt, ist das eine Problem.

Ein anderes sind die senkrecht aufragenden Sandsteinfelsen direkt hinter den Häusern. Jederzeit kann sich eine Wand oder ein tonnenschwerer Brocken lösen, an manchen Stellen hat man stählerne Abfangvorrichtungen angebracht. Auf unserem weiteren Weg werden wir zudem feststellen, wie übel die letzten Stürme den Waldbestand verändert haben und und welchem alarmierenden Zustand sich die verbliebenen Wälder befinden.

Wir passieren einige Geschäftshäuser, Restaurants, Souvenirshops und Duty-Free-Läden, von denen viele den Betrieb bereits eingestellt haben. Dazu gehört nicht das prächtige Hotel Praha, das nach wie vor luxuriöseste Domizil vor Ort. Um hier zu übernachten, hätten wir wohl deutlich tiefer in die Taschen greifen müssen. Das gilt auch für die idyllisch gelegene Penzion Klepac mit ihrem uralten Wasserrad, die wir am Beginn des Aufstiegs zum Prebischtor passieren. Dieser verläuft auf den ersten 1,5 Kilometern auf der kleinen Straße nach Mezni Louka.

Nach etwa 15 Minuten hat unsere Wandergruppe den Einstieg zum Aufstieg erreicht. Ein Weg, den ich mindestens schon fünf Mal hinauf gegangen bin. Ein Weg, den ich kaum wieder erkennen werde. Zunächst sieht der Wanderweg mit der roten Markierung des Fernwanderweges E3 noch so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Wie schon früher staune ich oft über Baumwurzeln, die sich irgendwie das Wasser aus den Ritzen in den Sandsteinfelsen saugen und wie die Fangarme eines Riesenkraken wirken. Dann aber der Schock. Eine riesiges Waldgebiet ist vollständig den Stürmen der letzten Jahre zum Opfer gefallen.

Das Felsmassiv vom Prebischtor war bei meinem letzten Besuch noch zu keiner Zeit vom Aufstiegsweg aus zu sehen. Jetzt war es schon von weitem sichtbar. In jüngster Zeit ist der frühere weiche Waldweg einem steinernen Weg gewichen.

Und bald finden wir eine Tafel, die uns den großen Arbeitsaufwand des Wegebaus erläutert: Hier der O-Text: „Das Nationalparkgebiet ist von einem dichten Netz der Wanderwege durchwoben. Viele davon entstanden schon im 19. Jahrhundert und dienen bis heute ihrem ursprünglichem Zwecke. Der Ausbau von guten Wanderwegen war jedoch nicht einfach. Das Beispiel eines historischen Weges ist auch dieser Wanderweg zum Prebischtor.

Dieser ursprünglich nicht befestigte Weg wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert mit Basaltsteinen ausgepflastert und der Wegrand mit Sandsteinquadern befestigt. Auf anderen Stellen wurden Wege, Stufen und sogar Tunnels aus dem weichen Sandstein gehauen. Der Zahn der Zeit und Folgen des Fremdenverkehrs sind nun auf den Wegen sichtbar. Nicht einmal der harte Basalt, geschweige denn der weiche Sandstein, ist ewig, und so können die meisten alten Wege dem Einfluss hunderttausender Besucher und den immer häufigeren Naturkatastrophen nicht standhalten. Die Instandhaltung der Wege kostet die Verwaltung viel Arbeit und Geld.“ (O-Text Ende).

Nach 15 anstrengenden Minuten durchwandern wir wieder einen Wald. Ein mächtiger schief stehender Sandsteinquader, der damals wie heute von Besuchern scherzhafterweise mit Stöcken und Ästen abgestützt wird, macht mir deutlich, dass ich mich tatsächlich auf dem selben Weg wie frühe befinde. Auch die Infotafel, die auf seltene und geschützte Tiere im Nationalpark hinweist, steht (mittlerweile leider besprüht und beschmiert) noch an der selben Stelle.

Wie ich an den Gesichtern meiner Wanderkamerad/innen feststellen konnte, war eine kleine Pause dringend nötig. Gerne hätte ich ihnen versprochen, dass der Weg nun nicht mehr so stark ansteigt und dass das Schlimmste bereits geschafft wäre.

Aber da hätte ich glatt gelogen. Versprechen konnte ich aber, dass die Landschaft jetzt noch viel spannender und abwechslungsreicher wird.

Offenbar haben die oberen Regionen die letzten Stürme viel besser überstanden. Im Zickzack-Kurs ging es über Brücken und Stege immer weiter hinauf. Nach mehreren kurzen Stehpausen erreichte die Gruppe die Felsregion. Und hier wurde das Gelände zunächst etwas flacher.

Eine große Steinplatte bot sich zur Rast an. Mit allen Gruppen, mit denen ich diesen Weg gegangen bin, wurde hier pausiert. Und hier war dann wirklich der schwerste Teil des Aufstieges gemeistert.

Nur wenige Minuten nach der Pause hatten wir den Abzweig des Stichweges zum Prebischtor vom Fernwanderweges E3 erreicht. Hoch über uns war linker Hand des Weges das Prebischtor mit dem Hotel Falkennest zu sehen.

Der Anblick schockierte meine Mitwanderer zunächst, hatte ich doch versprochen, dass der Weg nun nicht mehr so anstrengend sein würde. Doch konnten letztlich auch sie feststellen, dass der Weg zwar sehr abenteuerlich aussah, aber doch relativ leicht zu bewältigen war.

Mehrere Brücken und Stege machten das möglich. Hier herrschte auch an einem 3. November noch Hochbetrieb. Von allen möglichen Positionen wurden Fotos und Selfies geschossen, das Wetter konnte dazu kaum besser sein.

Anders als noch am Vortag auf dem „Kuhstall“ standen wir am Prebischtor nicht vor verschlossenen Türen. Das 1881 von Fürst Edmund von Clary-Aldringen erbaute Hotel Falkennest war geöffnet und nach dem anstrengendem Aufstieg schmeckte das Budweiser auf der hölzernen Veranda besonders gut. Der halbe Liter Bier kostete auch hier nicht mehr als 60 Kronen (ca. 2,30 Euro)

Der Anblick des gewaltigen Felsentors in Kombination mit dem hölzernen „Falkennest“ ist eine Augenweide. Das haben auch schon einige Künstler aus der Kinobranche erkannt. So wurden unter anderem Szenen aus den „Chroniken von Narnia“ hier gedreht. Über die Brücke zu gehen (wie im Film) ist seit 1982 wegen der starken Erosion nicht mehr möglich.

Wer jedoch noch höher hinaus will, kann auf dem gegenüberliegenden Felsmassiv weiter gen Himmel steigen und das Felsentor von oben bestaunen. Das ließen natürlich auch wir uns nicht entgehen und starteten nach der kurzen Pause im Falkennest auf diese absolut lohnenswerte Extra-Tour.

Ein bisschen schwindelfrei sollte man auf alle Fälle sein. Steile Treppen führen direkt an senkrecht abfallenden Felsen aufwärts. Tolle Ausblicke offenbaren sich hier, und wer sich bis ans obere Ende des Felsenplateaus traut, wird mit unbeschreiblichen Panorama-Blicken belohnt.

Auf einer Tafel erfahren wir folgendes (O-Text – Wortlaut): „Das Prebischtor besuchen jährlich etwa 100.000 Besucher aus der Tschechischen Republik und Ausland. Der monumentale Bogen fasziniert nicht nur Besucher, sondern auch Wissenschaftler. Sie brechen sich seit Jahren ihre Köpfe mit der Frage, wie ist es denn möglich, dass das Tor noch nicht zusammenbrach.

Letztendlich wurde festgestellt, dass das Tor von zwei selbständigen Felsen gebildet wird. Dank dieser Tatsache wird der Bogen nicht so großer Spannung ausgesetzt, die durch Ausdehnung und Schwindung des Sandsteins infolge des Temperaturwechsels entsteht, und welche das Auseinanderbrechen bedeuten würde“.

Das Gelände des Prebischtors befindet sich in Privatbesitz. Normalerweise wird hier ein Eintrittsgeld (95 Kronen/4 Euro bzw. ermäßigt 30 Kronen/1,50 Euro) zu entrichten. Bei unserem Besuch war das Kassenhäuschen jedoch geschlossen. Unseren Beitrag zur Erhaltung dieses einzigartigen Orts haben wir durch ein anständiges Trinkgeld geleistet.

Dieser Beitrag wird unter dem Titel „Auf dem Garbrielensteig“ fortgesetzt.

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