Schweben über Fels und Wasser
Wann immer es möglich war, habe ich bei unseren Arbeitseinsätzen in Nordhessen versucht, Karten- und Prospektmaterial zu sammeln. Oft wurde ich dabei schon in unserer Unterkunft, manchmal aber auch in Toruistikbüros fündig. Als wir im August 2019 in der Pension Dee in Heimarshausen untergebracht waren, hatte ich dieses Glück nicht. Hier fanden sich nur Flyer zum Kulturprogramm und zur Weserschifffahrt in Bad Karlshafen. Eine Kollegin machte mich auf eine ganz besondere Attraktion aufmerksam: Den Weser-Skywalk an den Hannoverschen Klippen bei Würgassen.
Bad Karlshafen ist touristisch längst nicht ausgelastet. So ist es kein Problem, ganz in der Nähe des Hafens einen Parkplatz zu finden. In der Friedrichstraße gingen wir zur Mündener Straße, dort nach rechts und dann links in die Brückenstraße. Von der Brücke blicken wir auf den nicht gerade überfüllten Camping- und Caravanplatz und die Anlegestelle der Weserschifffahrt. Unter der Brücke herrscht rege Bautätigkeit.
Auf der anderen Uferseite stoßen wir auf einen Wegweiser des Weserberglandweges, der uns 1,8 Kilometer zum Skywalk anzeigt. Alternativ gibt es aber auch eine weniger steile Zufahrtsstraße, die man allen empfehlen kann, die schnell aus der Puste kommen. Das Symbol des Weserberglandweges ist nicht das einzige auf unserer Strecke. Wir finden in einigen Abschnitten auch die Markierungen der Radwege R1 und R4, der Wildbahn (X3), des Fulda-Diemel-Weges (F) und des Reinhardswald-Westweges (H).
Auf dem Weserberglandweg werden in unserer eingeschlagenen Richtung Lug ins Land (4,5 km) und Schönhagen (11,9 km) angegeben. In der Gegenrichtung ist neben Bad Karlshafen (0,5 km) noch Gottsbüren in 14,5 km aufgeführt.
Unmittelbar nach den letzten Häusern stehen wir vor einer Übersichtstafel zum Hessischen Fernradweg R1, der auch als Fulda-Radweg bekannt ist. Infos über diesen Weg findet Ihr bei www.radroutenplaner-hessen.de.
Kurz darauf steht man vor einer Inftafel zum „Weserradweg Ostufer“ mit Übersichtskarte und Entdeckertipps. Infos dazu gibt es unter www.weserbergland-tourismus.de.
Ein Aspahltweg führt uns an Weideflächen und am bewaldeten Wesersteilhang entlang. Friedrich grasen Pferde am Weserufer. Am nächsten Wegweiser (1,2 km vom Start) finden wir nun auch die Markierungen des Radweges R 99 und der D-Route 9. Auf dem R 4 sind es 30 Kilometer nach Hofgeismar und auf dem R1 schon 44 km bis Hannoverisch Münden.
Wir überqueren die Bahngleise und finden am Einstieg zum Klippensteig eine Tafel mit der Überschrift „Der Weg ist das Ziel“ vor. Hier wird darauf hingewiesen, dass der Klippensteig einen hohen Schwierigkeitsgrad hat.
Rund 100 Höhenmeter sind zum Teil über rutschige Treppen zu überwinden. Festes Schuhwerk ist Pflicht, bei Glätte oder Nässe wird der Weg natürlich noch gefährlicher. Es wird vor Steinrutsch und Astbruch gewarnt und daran erinnert, dass das Betreten des Weges auf eigene Gefahr erfolgt.
Den Einganstext dieser Warn- und Erläuterungstafel möchten wir Euch im O-Wortlaut vorstellen: „Schroff fallen die Hannoverschen Klippen zur Weser ab. Unzugänglich erscheinen die felsigen Steilwände mit dem knorrigen Baumbestand. Ein schmaler und gewundener Steig führt die rund 100 Höhenmeter hinab zur Weser und in Richtung Bad Karlshafen. Es geht über Steine und Felsen vorbei an umgestürzten Baumriesen und Geröllflächen. Überall sind kleine und große Entdeckungen möglich.“ (O-Text Ende).
Hier beginnt das kleine Wander-Abenteuer. Schon die erste Treppe wird den Rauchern Hustenreiz entlocken und die folgenden Pfade sind nur unwesentlich geringer steil. Wir passieren ein Häuschen am Steilhang und schnaufen schon nach 50 Streckenmetern.
Schon bald finden wir einen der angekündigten umgestürzten Baumriesen. Nach wie vor ist die Markierung des Weserberglandweges unser Wegbegleiter. Der Pfad führt durch eine üppige Vegeation und verläuft bald über Serpentinen immer steiler nach oben.
Der nächste Baumriese liegt exakt parallel zu einer steilen Treppe und lässt sich so als Stütze nutzen. Auf der Tafel am Einstiegspunkt war zu lesen, dass sich auf halber Strecke eine Ruhebank befindet. Bald finden wir eine solche, von einer Steinmauer und vielen „Steinmännchen“ umrundet. Aber – war das schon die halbe Strecke?
Danach wurde es um noch eine Stufe steiler. Und nach einem sehr anstrengenden Abschnitt erblicken wir eine weitere Ruhebank. Diese massive Bank mit Lehne wird wohl als „Halbzeitpunkt“ gemeint sein.
An einem Geländerpfosten finden wir neben einem weißen X nun auch eine neue Markierung: Mit dem Symbol einer Eieruhr ist die „NaturZeitReise“ beschildert. Vielleicht erfahren wir noch mehr über diesen Weg.
Dann haben wir das Ende des Klippensteiges erreicht. Wir gelangen an eine Kreuzung mit zahlreichen Wegweisern und Infotafeln. Eine Menge Leute in Motorradkluft haben sich wohl einen leichteren Weg bis hier hin gewählt. Wege führen in alle Richtungen – wo aber geht es zum Skywalk?
Ein Wegweiser zeigt Wanderwege in allen Richtungen an. Wir staunen darüber, dass wir bis hier erst 2,1 Kilometer von Bad Karlshafener Zentrum gemeistert haben. Aber die hatten es wirklich in sich.
Im Zentrum der Kreuzung steht die Infotafel, der wir die Überschrift zu diesem Beitrag entnommen haben. Noch wissen wir nicht, wie gut diese Überschrift „Schweben über Fels und Wasser“ passt.
Links unten ist auf der Tafel folgendes zu lesen: „Hoch überragen die rotbraunen Felsen der Hannoverschen Klippen die Wipfel der knorrigen Eichen und Buchen am Wesersteilhang. Mit rund 80 Metern Höhe stellen die Klippen für das Weserbergland etwas Einmaliges dar. Aber nicht nur aus geologischer Sicht sind sie etwas Besonderes. Sie sind Lebensraum echter Überlebenskünstler aus den Reichen der Pilze und Pflanzen. Insbesondere die auf dem Fels lebenden Flechten – Zwitterwesen aus Pilzen und Algen – machen den besonderen Wert dieses Lebensraumes für den Naturschutz aus. Dazu bieten die Klippen ein einmaliges Erlebnis: Vom Weser-Skywalk haben Sie einen grandiosen Ausblick ins Wesertal und auf das Kronendach des angrenzenden Urwaldes.“ (O-Text Ende).
Auch auf dieser Tafel wird an die Besucher appelliert, unbedingt auf den ausgewisesen Wanderwegen zu bleiben. Dennoch haben wir festgestellt, dass viele Besucher diese Warnung ignorieren. Dabei besteht hier eine besondere Gefahr, da die Bäume überwiegend in der Zerfallsphase sind und jederzeit ein gewaltiger Ast abbrechen könnte.
Auf dieser Tafel wir man eingeladen, über den so genannten „Holzweg“ zur Aussichtsplattform zu wandern. Hier gibt es viel Information zum Thema „Holz als Wertstoff und Lebensraum“.
Eine Einladung auf den Holzweg gibt es auch auf einer kindgerecht gestalteten Tafel in Form eines kleinen Gedichtes: „Liebe Gäste tretet ein, es wird Euch ein Erlebnis sein. Hier gibt es Vieles zu entdecken: Verchied’ne Tiere sich verstecken, Musik und ganz viel frische Luft, den Zahn der Zeit und Wildnisduft. Genug davon und mehr noch seht ihr, wenn Ihr den Holzweg geht“. (O-Text Ende). Na denn mal los.
Entgegen meinen Erwartungen führte der Weg zur Aussichtsplattform abwärts. Es werden so 300 bis 500 Meter gewesen sein, die man gemütlich an einem Metallgeländer schlendern kann. Dann hatten wir unser Ziel erreicht. Wir schwebten wahrlich über Fels und Wasser. Der Zug, der weit unten am Weserufer vorbei fuhr, wirkte wie eine Modelleisenbahn der kleinsten Spur.
So manche trauten der 25 Tonnen schweren Stahkonstruktion nicht so ganz und wagten sich nur zögerlich bis zur vordersten Brüstung heran. Die Aussicht war wahrlich grandios.
Eine Tafel vermittelt noch einige Daten zum Bauwerk: Als Bauherr wird der Kreis Höxter angegeben, der die Plattform im Rahmen des Projektes „Erlesene Natur“ im Zeitraum vom November 2010 bis März 2011 errichten ließ.
Die 25 Tonnen Stahl wurden im Fels durch neun Ankerpfähle mit bis zu 14 Metern Länge befestigt. 80 Meter über der Weser hält er dem Gewicht von 500 kg pro Quadratmeter stand. Okay, da musste auch ich mir keine Sorgen machen.