Nr. 26: Die Burgruine Brandenburg bei Lauchröden
Der Touringen-Stempel Nr. 26 ist kein Tourenstempel, den man sich auf einer mehr oder weniger anstrengenden Wanderstrecke erkämpfen muss. Er ist einer von den rund 50 Einzelstempeln im Tourenheft, die den Gästen Lust auf „Thüringen entdecken“ machen sollen.
Viele von diesen kann man sich direkt mit dem Auto abholen. Dazu gehört die Nr. 26 an der Burgruine Brandenburg jedoch nicht. Hier muss man vom Wanderparkplatz bei Lauchröden immerhin 650 Meter zur Burg hinauf gehen und wer sich alles ganz genau anschaut, kommt einschließlich des Rückweges fast auf einem 2-km-Spaziergang.
Ein Spaziergang, der zu einer Zeitreise ausgebaut werden kann. Vor allem dann, wenn man sich die ganzen Infotafeln am Wegrand anschaut. Am Naturpark-Tor Lauchröden findet man zunächst eine Dokumentation zur Grenzsituation an der Ruine.
Hier ist zu lesen: „Als die Brandenburg um ca. 1200 erbaut wird, ist das Werratal noch eine zusammenhängende Region unter der Herrschaft des Adelsgeschlechtes der Ludowinger. Infolge des hessisch-thüringischen Erbfolgekrieges wird 1263 zwischen Hessen und Thüringen erstmals eine Landesgrenze gezogen.
Die Brandenburg als mittelalterlicher Herrschaftssitz bekommt dadurch zusätzlich eine Grenzüberwachungs- und Kontrollfunktion. Die Burgherren sichern Straßen, Fluss und Brücken und erheben dafür Wegezoll. Auf die Bewegungsfreiheit der Bewohner des Werralandes hatten allerdings weder diese politischen Veränderungen noch spätere Konflikte Einfluss.
Erst nach Ende des 2. Weltkrieges 1945 mit der Aufteilung Deutschlands in die vier Besatzungszonen und dem einsetzenden Kalten Krieg wird zwischen Hessen (amerikanische Besatzungszone) und Thüringen (sowjetische Besatzungszone) 1946 die Grenze zum Westen abgeriegelt, ausgebaut und ein 5 km breiter Streifen davor zur Sperrzone erklärt und der generell verbotene Zugang für Nichtbewohner streng überwacht.
Die Brandenburg wird fortan inmitten dieses Sperrgebiets zu einem weithin sichtbaren und deshalb unbequemen Denkmal. Der umliegende Baumbestand wird mit der vollständigen Einzäunung 1961 komplett abgeholzt für ein freies Sicht- und Schussfeld“. (O-Text Ende).
Bis 1989 waren somit die zuvor so beliebten Wanderungen zur Burg nicht möglich. Sie wurde somit zu einem „Sehnsuchtsort und Symbol für die Zusammengehörigkeit im Werratal auf beiden Seiten der Grenze“. Nach grenzübergreifenden Arbeitseinsätzen und starker Unterstützung durch Herleshäuser Bürger wurde die Burg für den Besucherverkehr wieder erschlossen. Der Werratalverein richtete ein Burgmuseum ein und organisiert regelmäßig Veranstaltungen.
Auf meinem Weg zur Burg finde ich ein großes Banner mit den Veranstaltungen im Juni 2024. Zudem kann ich mich über die Wanderwege um Lauchröden informieren und finde auch eine Tafel zum Werra-Burgen-Steig. Dieser führt in der einen Richtung nach Vacha (38 km) und Gerstungen (11 km) und in der anderen nach Hörschel (7 km) und Creuzburg (15 km). Auch kreuzt hier der Wartburgpfad (X9).
Noch vor der Anhöhe hat des Besucher die Wahl, die Burgbesichtigungsrunde von Osten oder Westen zu beginnen. Auf der an diesem Trennpunkt befindlichen Hinweistafel ist folgendes zu lesen: „Gleichgültig ob eine Burg auf einem Berg oder in der Ebene steht, so ist sie auf jeden Fall doch nicht für die Behaglichkeit, sondern zur Wehr erbaut, mit Gräben und Wall umgeben, innen von bedrückender Enge, zusammengepfercht mit Vieh- und Weideställen. Dunkelkammern, vollgepfropft mit schweren Büchsen, Pech, Schwefel und allen übrigen Kriegsgerät. Und welch ein Lärm! Da blöken die Schafe, brüllt das Rind, bellen die Hunde und bei uns zu Hause hört man die Wölfe heulen.“. Dieser Text stammt von Ulrich von Hutten (1488-1523). Auf dieser Tafel wird außerdem veranschaulicht, was seinerzeit in den Burggärten gepflanzt wurde, welche Heilkräuter und -pflanzen bekannt waren und welche seltenen Tiere (u.a. Siebenschläfer, Fledermausarten und Greifvögel).
Ich entscheide mich, die Burg von oben zu „erstürmen“ und gehe immer weiter aufwärts. Noch vor dem Burggraben folge ich einem Pfad und bestaune das Replikat einer alten Steinschleuder (Blide oder Tribol), die mit ihrem 6 Meter langen Wurfarm 20 kg schwere Geschosse bis zu 150 Meter weit schleudern kann.
Unterhalb der Treppe zur Besucherplattform entdecke ich den Stempelkasten. In diesem Turm befindet sich das Burgmuseum, in dem zurzeit eine Ausstellung zum Leben und Wirken von dem auf der Brandenburg geborenen Georg von Reckrodt gezeigt wird.
Auf der zweiten Ebene des Turms gibt es Informationen zur Bauhistorie. Der Eintritt kostet nur 3 Euro. Natürlich war ich wieder zur falschen Zeit vor Ort. Und da das Museum geschlossen war, war auch der Durchgang zur Aussichtsplattform versperrt.
Macht aber nix. Panoramablicke hatte ich an diesem Tag bereits von der Bermerhütte und dem Gerberstein genießen können. Ich gehe zum Torbogen und zum zweiten Turm weiter und finde eine Infotafel der Stiftung Thüringer Schösser und Gärten.
Auch hieraus ein Ausschnitt im Wortlaut: „Auf einer Bergkuppe oberhalb der Werraerhebt sich in der Nähe der Ortschaft Lauchröden eine der größten Doppelburgen des Hochmittelalters in Thüringen (…). Gemeinsam mit der Creuzburg und der Wartburg bildete sie ein wichtiges Festungsdreieck zur Sicherung der thüringischen Landgrafschaft im Westen. Als Geleitburg schützte sie den Handelsweg von Frankfurt am main nach Eisenach. Als Gründer der Burg gelten die Grafen von Wigger, seit der Mitte des 13. Jahrhunderts Grafen von Brandenburg genannt. (O-Text Ende).
Einer Zeittafel kann der Besucher alles Wesentliche entnehmen, was in der Folgezeit bis zur Übertragung der Burg an die Stiftung im Jahr 1994 geschah.
Ich kehre nach fast 45 Minuten Besichtigung zum Parkplatz zurück und freue mich nun auf Ruhe und Entspannung auf dem Campingplatz in Berka.