Von der Papiermühle in den Münchenrodaer Grund
„Schlauer Ux“ ist der Titel der 8. Etappe auf Deutschlands schönstem Wanderweg des Jahres 2023: Der SaaleHorizontalen. 10,8 Kilometer mit einer Anstiegssumme von 244 Metern stehen auf dem Plan. Wie wir auf dem Prospekt erfahren, ist diese Strecke besonders für Familien mit wanderfreudigen Kindern geeignet.
Nachdem wir am Vortag die 7. Etappe auf den Spuren Napoleons wandelten, ist uns der Startpunkt, die Papiermühle im Mühltal, bestens bekannt.
Hier haben wir gestern hervorragende Biere genießen können und weil wir anschließend in der Wagnergasse (Jenas Kneipenmeile) noch kräftig weiter gefeiert haben, war uns der versprochene „sanfte Anstieg“ sehr willkommen. Auch wussten wir, wie wir problemlos mit der Linie 28 (alternativ 16) zur Papiermühle kommen.
Alles lief wie geplant. Gut gefrühstückt, der übliche Weg am JenTower vorbei bis zum Busbahnhof – und schon waren wir am Start. Wir bestaunten einen historischen Brauerei-Anhänger vor der nicht minder historischen Braugaststätte und informierten uns noch einmal über die Öffnungszeiten. Am heutigen Donnerstag hätten wir bis 15 Uhr warten müssen.
So überquerten wir die Hauptstraße und schnell waren wir im Münchenrodaer Grund. Auf einem ersten Wegweiser informierten wir uns über die einzelnen Zwischenziele: Carl-Zeiss-Platz 2,1 km, Forsthaus 6,5 km und der Etappen-Zielort Ammerbach 10,8 km.
Wir stellten fest, dass so manche Etappenziele auf anderen Wanderwegen auf kürzerer Distanz erreichbar wären, wollen uns aber an den Original-Verlauf der Saale-Horizontalen orientieren.
Durch malerischen Buchenwald
Durch herrlich bunten Laubwald ging es tatsächlich sanft aufwärts. Sanft, aber scheinbar endlos. Trotz des schonenden Einstiegs in diesen Wandertag mussten wir auf dem Weg durch den angepriesenen „malerischen Buchenwald“ ganz schön schnaufen. Für den feuchtfröhlichen gestrigen Absacker hatte wir ganz schön zu büßen.
Zunächst passierten wir das Anwesen eines Trödel-Sammlers, der sein Areal mit dem Schild „Irrenanstalt“ auswies. Einem lustigen Blechschild zufolge wird das Grundstück von einem beherzten Huhn bewacht.
Wir durchwanderten eine alte Brücke und erreichten bald einen Platz mit Infotafel zum Naturschutzgebiet Jenaer Forst.
Hatten wir dieses Schild nicht schon auf der ersten Etappe auf dem Johannisberg gesehen? Hier ist allerdings zu lesen, dass der Name des Jenaer Forstes und der vorhandene Baumbestand auf eine lange forstliche Nutzung verweisen. Schon 1970 war seine gesamte Fläche fast vollständig bewaldet.
Und weiter (O-Text): „Nur die Nordhänge des Paulsberges und des Tatzends, der Münchenrodaer Grund sowie die Südhänge der Ammerbacher Platte waren offene Lagen. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die meisten dieser Offenstandorte mit Nadelbäumen aufgeforstet, während im Nennsdorfer Grund und im Jenaer Forst durch Kalksteinbrüche neue Offenlagen entstanden. (O-Text ENDE). Wieder etwas gelernt.
Zum Aussichtspunkt „Kahles Höhe“
„Kahles Höhe“ war der erste Orientierungspunkt auf unserer Wegebeschreibung. Einen solchen Punkt hatten wir bisher zumindest nicht wissentlich erreicht.
Wir passierten eine Schranke und stellten fest, dass der „sanfte Anstieg“ gar nicht so sanft ist, wenn man nicht in Bestverfassung ist. Wir staunten über so manche Pilze und Gewächse am Wegrand und erreichten bald die ersten Felswände.
Eine herrliche Landschaft in prachtvollen Farben. Auf einer Ruhebank lesen wir den Spruch: „Vielleicht wird’s nie wieder so schön“. Könnte sein.
Und die nächste Ruhebank mit toller Aussicht auf die gegenüberliegenden Höhenzüge dürfte wohl der Punkt sein, der in der Beschreibung „Kahles Höhe“ genannt wird. Und auf dem nächsten Wegweiser nach weiteren 800 Metern finden wir einen Anhaltspunkt, welchen Anteil der Strecke wir schon geschafft haben.
Vom Startpunkt Papiermühle sind 5,5 km absolviert, bis zum Zielort Ammerbach sollen es noch 5,0 km sein. Wir sind aber skeptisch geworden, nachdem wir festgestellt haben, dass die Saale-Horizontale nicht immer gleichauf mit den gelb oder rot markierten Schildern verläuft.
Auf dem Wald- und Erlebnispfad „Schlauer Ux“ zum Bismarckturm
Längst haben wir die ersten Schilder des beliebten Waldpfades „Schlauer Ux“ entdeckt. Es ist ein Erlebnispfad mit vielen interaktiven Schautafeln und digitalen Elementen, die nicht nur für Kinder geeignet sind.
Wären wir diesem Pfad gefolgt, hätten wir einige Kilometer sparen können und die einzelnen Zwischenziele dennoch erreicht. Zu diesen gehört der Bismarckturm, der auf 320 Metern Seehöhe steht.
Zuvor hatten wir das Naturdenkmal Winterlinde und so manch andere sonderbare Bäume bestaunen können.
Auf einer kleinen Tafel finden wir folgenden Text zum Bismarckturm: „1909 Errichtung als Aussichtsturm auf der Hochfläche des Tatzends (329 m) in Würdigung der Verdienste Otto Fürst von Bismarcks bei der Gründung des Deutschen Reiches.
Die Initiative zum Bau ging von Jenaer Studenten aus und wurde durch den Zoologen Ernst Haeckel (1834-1919) unterstützt. Der Bismarckturm ersetzte eine künstliche Turmruine an gleicher Stelle, genannt MALAKAFF. Architekt Wilhelm Heinrich Kreis, Höhe 21 Meter.“ (O-Text Ende).
Familien mit Kindern werden an diesem Punkt auf den Einstieg in den Walderlebnispfad hingewiesen, ebenso wie auf die App natura jenensis, mit der der „schlaue Ux“ auch per Audioguide begleitet wird und viele Stationen digital erlebbar macht.
Vom Bismarckturm zur Sternlinde
Über eine fürstliche Allee wandern wir nunmehr von Infopunkt zu Infopunkt. Ein Steinbruch dient als Anschauungspunkt der Gesteinsschichten des Erdzeitalters und neben weiteren 19 interaktiven Stationen zu allen Themen rund um Wald und Natur gibt es noch unzählige kleinere Lernstationen.
Wer sich mit allen Themen befassen will, muss sehr viel Zeit einplanen. Schließlich erreichen wir den „Stern“. Hier treffen sage und schreibe acht Wanderwege am der Sternlinde zusammen.
Welches Chaos würde entstehen, wenn man hier die Wegweiser vertauschen oder entfernen würde. Wir schlagen nun die Richtung zum Forsthaus ein und hoffen, hier vielleicht Kaffee und Kuchen zu bekommen….
Abstecher zum Forsthaus mit Forstturm
Wie wir im Prospekt lesen können, liegt das Forsthaus nicht auf unserer Originalroute. Ein Abstecher also, der sich hoffentlich lohnt. Doch hätten wir nach den bisherigen Erfahrungen ahnen können, dass wir wieder einmal vor verschlossenen Türen stehen werden.
„Geschlossen aus technischen Gründen“, stand an der Tür. Wir entschieden uns, zunächst einmal den Forstturm zu besichtigen.
Der 25 Meter hohe Turm wurde als Kriegerdenkmal und Aussichtsturm (348 m) zu Ehren der Gefallenen des 3. Jenaer Bataillons des 5. Thüringer Infanterie-Regimentes Nr. 94 im Deutsch-Französischen Krieg errichtet.
Die Grundsteinlegung erfolgte am 18. Juni 1871 nach der Friedensschließung mit Frankreich. Die Einweihung fand am 18. Juni 1874 statt, 2009 wurde der Turm umfassend saniert.
Auf Metalltafeln stehen die Namen der in diesem Krieg Gefallenen. Wir legten eine kurze Pause vor dem geschlossenen Gasthaus ein. Der kalte Wind war Grund für die Kürze.
Vom Forsthaus zum Ernst-Haeckel-Stein
Das Naturerlebniszentrum forum natura auf dem Otto-Schott-Platz sollte nun die nächste Station auf unserem Wanderweg sein. Durch den Abstecher schienen wir aber den Faden verloren zu haben.
Wir folgten zwar der SH-Markierung, könnten aber durchaus die genannten Empfehlungen verpasst haben. Was wir fanden, war eine große Fläche mit Holzstapeln und einer Infotafel, die die Bedeutung des hier befindlichen Hochplateaus für die Belüftung des Siedlungsbereichs mit Kaltluft erläutert.
Wir folgen brav der Markierung, die uns nach fast 1,5 km fast wieder an den Ausgangspunkt zurückführt.
Doch für diese Extra-Runde gab es einen guten Grund. Nur so erreichten wir den „Ernst Haeckel Stein“. Ernst Haeckel (1834-1919) war Naturforscher und Philosoph und „Bahnbrecher der Entwicklungslehre“.
Der Stein wurde anlässlich seines 50. Todestages von den örtlichen Natur- und Heimatfreunden, der Friedrich-Schiller-Universität und dem Stadtrat errichtet. Wie uns der Wegweiser verrät, steht er auf 350 Höhenmetern und 2,4 km vor dem Etappenziel Ammerbach.
Auch von hier lässt sich eine wundervolle Aussicht genießen. Auch können wir hier etwas über das „Mikroklima Tal“ an einer Infotafel erfahren.
Hier ein Auszug: „Die natürlichen Gegebenheiten rund um Jena sind maßgebend für spezielle Mikroklimate (…) Die Höhenstruktur des Geländes im mittleren Saaletal führt zu einer Ausbildung von verschiedenen Kleinklimazonen mit einer speziellen vertikalen Temperaturverteilung sowie zur Bildung von lokalen Windsystemen (Kaltluftströme). Schon wieder was gelernt.
Abstieg nach Ammersbach
Vom Ernst Haeckel Stein ging es wieder aufwärts und nach weiteren 300 Metern hatten wir am Wegweiser mit der Ortsbezeichnung“0berhalb Höhenluft“ sogar 370 Höhenmeter erreicht. Wir legten noch eine kleine Rast auf einer Ruhebank ein, die dem “Naturfreund Rudolf Heyer“ gewidmet war.
Danach haben wir es tatsächlich geschafft, vom Weg abzukommen. Durch diese Rast haben wir offenbar den Überblick verloren. Wir folgten dem breiten Forstweg talwärts, passierten im Wald einige Anwesen (Höhenluft) und wurden grüblerisch, nachdem wir lange keine Markierungsschilder mehr gesehen hatten.
Nun mussten wir einen guten Kilometer wieder bergauf bis zur Heyer-Ruhebank zurück gehen. Und siehe da – hier hätten wir nach links auf einen Waldpfad abbiegen müssen.
Dieser führte uns nach etwa einem Kilometer an die lokale Trinkwassergewinnungsanlage, über die wir viel Wissenswertes anhand einer Infotafel erfahren konnten.
Von hier war es nun nicht mehr weit zu einer Kolonie von Wochenendhäusern, die wir von unserer Unterkunft aus gut unter dem Bismarckturm ausmachen konnten.
Und dort endete auch der „offizielle Teil“ der 8. Etappe. Das Schild zur neunten Etappe lud zum Weiterwandern nach Göschwitz ein.
Aber es war schon spät geworden und wir wollten in Ammersbach unbedingt eine Gastwirtschaft aufsuchen.
Wieder vor verschlossenen Türen
Wie uns der letzte Wegweiser auf der 8.Etappe verriet, waren noch 0,5 km zum ÖPNV in Ammerbach zu absolvieren. Und wir freuten uns auf die im Prospekt aufgeführte Einkehrmöglichkeit in jenem Jenaer Stadtteil.
Wir spöttelten allerdings schon ein wenig, nachdem wir feststellen mussten, dass keine solcher erwähnten Einkehrmöglichkeiten bisher tatsächlich in Betrieb war. Der Spott war berechtigt.
Am Landgasthof Ammerbacher Hof konnten wir lesen, dass das italienische Ristorante „Della Porta“ bald eröffnet wird.
Auf dem Weg zu diesem Gasthaus passierten wir die im 13. Jahrhundert erbaute Ammersbacher Kirche und konnten einige Kunstwerke eines Holzschnitzer bestaunen.
Was uns blieb uns letztlich übrig, als auf unseren Bus zu warten und die Einkehr in das Jenaer Stadtzentrum zu verlagern. Und so endete unsere Tour auf der 8. Etappe der Saale-Horizontalen.
Wir hatten bereits knapp 16 km auf der Uhr, und es sollten in Jena noch einige Kilometer hinzukommen.