Von Tiefurt nach Mellingen
Viel Wasser kam in der Nacht zum Sonntag, 26. Mai 2024 vom Himmel. Am Morgen aber schien die Sonne und ließ das Wasser schnell verdampfen. Ich habe mir für diesen Vormittag einen Abschnitt auf dem Ilmtal-Radweg vorgenommen. Vom Campingplatz in Weimar-Tiefurt soll es diesmal flussaufwärts in Richtung Bad Berka gehen. Ich musste leider feststellen, dass mein E-Bike bei weitem nicht auf die angegebene maximale Reichweite von 100 Kilometern kommt.
Auf allen meinen bisherigen Touren war bei einer Marathon-Distanz schon der letzte Energie-Balken erloschen. Und weil dieses Karbon-Rad zwar sehr leicht, aber mangels Gangschaltung ohne E-Power nur schwer zu fahren ist, muss ich spätestens bei 21 Kilometern den Rückweg antreten. So wird Bad Berka (25 km) wohl außerhalb der Reichweite liegen.
Mein Campingplatz grenzt unmittelbar an den Ilmtal-Radweg an. Dort, wo der Gedenkstein für Prinz Leopold von Braunschweig-Wolfenbüttel am südlichen Ufer der Ilm steht, steige ich in den Radweg ein und fahre in Richtung Westen. Die ersten Kilometer sind mir bereits von Touren zu Fuß bestens bekannt.
Vor der großen Brücke grüßt eine erste Infotafel die Ilmtal-Radler am Rande der Stadt Weimar mit folgenden Worten: „Die Kultur- und Klassikerstadt Weimar ist ein echter Anziehungspunkt in der Mitte Deutschlands: Rund drei Millionen Gäste kommen jährlich in die 66.000-Einwohner-Stadt und lassen sich verzaubern von der Fülle unzähliger Museen und Sehenswürdigkeiten und erliegen dem Charme der malerischen Parks und Gärten.“ Nach drei Tagen im Weimarer Umland kann ich den Begriff „verzaubern“ wirklich bestätigen.
Weiter ist auf der Tafel zu lesen: „Dominiert von den Dichtern Goethe und Schiller und vielen anderen Persönlichkeiten der Klassik und des von ihr ausgehenden Humanismus, ist Weimar auch für Liebhaber der Moderne ein echtes Muss. Das von Walter Gropius gegründete staatliche Bauhaus in Weimar prägte die Moderne in Weimar, die – genau wie die Dichterhäuser, Parks und Schlösser – Einzug in das UNESCO-Welterbe fand.“ (O-Text Ende).
Auf dieser Infotafel am Stadtrand von Weimar wird auch auf parallel verlaufende Radwanderwege hingewiesen. Da gibt es den Radfernweg Thüringer Städtekette, der auf 225 km die schönsten Thüringer Städte verbindet, und den 30 Kilometer langen Feininger-Radweg. Auf den Spuren des Malers Lyonel Feininger war ich bereits schon mehrfach mit dem Rad und zu Fuß unterwegs. Ein Prospekt von diesem Weg habe ich für eine Rückwegs-Alternative im Tourengepäck.
Wichtigster Wegbegleiter ist jedoch das gestern in Weimar erhaltene Prospekt „Dein eigenes Kurvenreich“ mit der Übersichtskarte zum Ilmtal-Radweg.
Am Südrand von Weimar fällt mir auf, wie braun die Brühe in der Ilm durch die starken Regenfälle wurde. Dennoch bieten sich immer wieder faszinierende Foto-Stops und auf dem Weg nach Oberweimar gibt es weitere Informationen. Zum Schloss und Park Belvedere ist folgendes zu lesen: „Im Süden von Weimar erhebt sich auf einer Anhöhe das Schloss Belvedere. Umgeben von einem 43 Hektar großen Park. Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar und Eisenach ließ zwischen 1724 und 1748 hier eine barocke Sommerresidenz einschließlich einer Orangerie sowie einem Lust- und Irrgarten errichten. Der großzügige Schlosspark mit seinem Russischen Garten und dem Heckentheater lädt zu ausgedehnten Spaziergängen durch die idyllischen Anlagen ein. In den Gebäuden des Schlosses befindet sich seit 1923 das Museum für das Kunsthandwerk des 18. Jahrhunderts. Die KAVALIERSHÄUSER werden heute zum überwiegenden Teil von der Hochschule für Musik FRANZ LISZT genutzt.“ (O-Text Ende).
Wenn man sich sämtliche Sehenswürdigkeiten am Ilmtal-Radweg näher anschauen wollte, käme man kaum vom Fleck. Alleine die Texte auf den Infotafeln zu lesen, zieht das Durchschnitts-Tempo auf der Radtour fast auf Fußgänger-Niveau. Ich will aber alles wissen und lege keinen Wert auf neue Temporekorde. So erfahre noch viel über Goethes Gartenhaus, das Weimarer Stadtschloss (das ich gestern auf dem nächtlichen Heimweg kennen gelernt hatte) und das Deutsche Bienenmuseum in Oberweimar.
Dann erreiche ich Thüringens erstes Radfahrerhotel an der Kipperquelle in Ehringsdorf. Die Entwicklung des Anwesens, das sich aus einem umgebauten Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert zu einem Landgasthof und in den 1920er Jahren zu einer Tanzgaststätte entwickelte, ist mit zahlreichen Bildern aufgeführt.
Zu DDR-Zeiten wurde das Gasthaus zu einem Tischtennis-Übungsraum degradiert und 1996 komplett geschlossen. Seit 2007 empfiehlt sich das Haus mit schönem Kaffee-Garten und sieben Doppelzimmern, einem Gästeappartement und einer großzügigen Ferienwohnung besonders den Rad-Touristen – Service rund ums Rad inklusive.
Weiter geht die Fahrt durch herrliche Natur auf absolut flacher Strecke. Den ersten von 6 Energiebalken habe ich mit dem E-Bike nach 10,8 km bereits verloren. Ein Wegweiser am Rastplatz Taubach macht mir deutlich, dass Bad Berka in 11,2 km Entfernung wohl zu weit ist.
Aber es kann noch weiter gehen, zumindest bis Mellingen (0,7 km), Oettern (3,1 km) und vielleicht noch Buchfart. An dieser Stelle könnte ich auch nach Magdala (5,4 km) abbiegen und in Richtung Jena weiterfahren. Ich bleibe aber auf dem Ilm-Radweg und kann ein Open-Air-Konzert besonderer Art genießen. An den Ehringsdorfer Brauerei-Teichen quaken unzählige Frösche um die Wette. Und auf der Weide gegenüber sehe nicht zum ersten Mal im Weimarer Umland Zwergzebus grasen. Auch in Tiefurt gibt es Landwirte, die sich auf die Zucht dieser kleinen Buckelrinder spezialisiert haben.
Der Radweg führt mich weiter südwestlich an der Ortschaft Taubach vorbei nach Mellingen. Das 1500-Einwohner-Dorf wurde 1137 erstmals als „Meldingen“ erwähnt. Bei wikipedia ist zu erfahren, dass es in Mellingen einst zwei Burgen gab. Von diesen ist allerdings nicht mehr viel zu sehen. O-Text: „Die erste Burg auf dem Kapellenberg wurde 1175 zerstört. Der Standort der zweiten Burg (Heinrichsburg) befindet sich nördlich der Ilm und östlich der Dorfmitte dicht an der Bundesstraße. Sie diente wohl der Sicherung des Ilmübergangs. Die Veste gehörte den einflussreichen Herren von Mellingen aus der Familie der Schenken und Vitzthume von Apolda, die sich 1137, 1149 und 1193 nach dem Ort Mellingen benannten.“ (O-Text Ende). Der Standort der Heinrichsburg, die man nach ihrer Zerstörung im Sächsischen Bruderkrieg 1451 aufgab, ist heute kaum erkennbar.
Sehen kann man allerdings die Pfarrkirche, die 1669 aus einer mittelalterlichen Chorturmkirche entstand. Sie ist Start- und Endpunkt dieses Beitrags.
Ganz in der Nähe kann man auf den Thüringer Drei-Türme-Wanderweg starten. Hier kann man sich gleich drei Stempel für das Thüringer-Tourenheft erkämpfen.