Legende berichtet von wilden Heeren, vertrunkenen Dörfern und einem Fluch
Hinweis: Nicht aktualisierter Beitrag vom 10. Januar 2007
„Im Walde verborgen liegt die Burgruine Rodenstein – und aus den Wipfeln der Bäume und aus ihrem Wurzelwerk raunt und flüstert es“. Dieses Zitat aus dem Rodenstein-Buch des Dichters Werner Bergengruen begrüßt den Wanderer auf dem Rodensteiner Dichterweg, der am Fuße der Neunkirchener Höhe eine außergewöhnliche Burgruine umrundet. Viele schaurige Sagen ranken sich um die Burg und die Rodensteiner, die eigentlich kein kriegerisches Geschlecht waren. Die Burg wurde Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet und war als Schutz gegen Ausdehnungsbestrebungen anderer Schenken gedacht. Der Hauptsage nach aber lastete ein Fluch auf dem Rodensteiner, der Frau und Kind seiner Kampfeslust geopfert haben soll.
Die Burg und ihre Entstehung
In einem Aushang am Burgtor findet der Besucher einen historischen Überblick, der diesem Beitrag neben den Schautafeln am „Rodensteiner Dichterweg“ als Quelle zugrunde liegt. Demnach wurde die Burg wurde um 1240 von den Brüdern Rudolf und Friedrich von Crumbach, die sich seit 1256 „von Rodenstein“ nannten, erbaut. Skizzen von Valentin Wagner aus dem Jahr 1634 belegen, dass es sich um eine schlossartige Anlage handelte, deren Gebäude dicht aneinander grenzten. Die Gebäude waren mit gewalmten Dächern und mit Fachwerkerkern versehen. Fachleute ordnen die Burg zum Typus der Schild- und Mantelmauerburgen zu. Auf der Angriffseite war sie durch eine Schildmauer verstärkt, während der Kernbau von einer Mantelmauer umgeben war. Die Südseite war durch einen Vorzwinger und durch ein halbrundes Geschützrondell befestigt. Die Burganlage wurde mehrfach umgebaut. Die Chronik führt auf, dass sie im 14. Jahrhundert durch einen zweiten größeren Palas, den „Steinernen Bock“ erweitert wurde. Zwischen dem älteren kleinen Palas, dem „Alten Bau“, und dem „Steinernen Bock“ befand sich der Hof mit dem Brunnen und mehreren Nebengebäuden. Der Brunnenaufsatz kann im Hof des Gasthauses unterhalb der Burgruine besichtigt werden. An der Westseite ragt der Mühlturm, ein ursprünglicher Torturm, empor. Das Tor wurde im 16. Jahrhundert vermauert und der Turm mit einem Mahlwerk und einem Mühlrad versehen, das durch das Wasser einer Stauanlage betrieben wurde. Im Obergeschoss des Mühlturms befand sich das Archiv. Eine besondere Einrichtung der damaligen Burganlage stellte die Apotheke dar.
Rettung durch den Odenwaldclub
Die Zerstörung der Burg ist nicht auf Kampfhandlungen zurückzuführen. Im Jahr 1640 befand sie sich noch in gutem Zustand. Wie die Chronik verrät, starb der letzte Bewohner der Burg, Adam von Rodenstein, um 1635 während des Dreißigjährigen Krieges mit seiner ganzen Familie an der Pest. Da die Burg seitdem nicht mehr bewohnt wurde, zerfiel sie und wurde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts als Steinbruch benutzt. In den 1880er Jahren wurde sie vom Odenwaldclub durch Sicherungsarbeiten vor dem völligen Zerfall bewahrt. Das wieder aufgerichtete innere Burgtor und insbesondere der Mühlturm lassen noch Ansätze künstlerischer Gestaltung erkennen. Die Rodensteiner waren Ritter, Amtmänner, Bischöfe und kein fehdelustiges Geschlecht.
Im nahe gelegenen Fränkisch-Crumbach findet man zahlreiche Requisiten der Rodensteiner Geschichte. Sehenswert sind die Grabdenkmäler in der Fränkisch-Crumbacher Kirche, an ihrer Spitze das Epitaph von Junker Hans zu Rodenstein, ein Meisterwerk spätgotischer Grabmalplastik. Weitere Informationen über die Rodensteiner bietet das Heimatmuseum Rodenstein in Fränkisch-Crumbach (Öffnungszeiten: Sonntags 14-16 Uhr, Führungen für angemeldete Gruppen auch außerhalb der Öffnungszeiten).
Die Sagenburg des Odenwaldes
Burg Rodenstein und ihre Bewohner sind Gegenstand zahlreicher Sagen und einer Fülle literarischer Bearbeitungen geworden. Am Burgtor findet man eine Tafel zum Gedenken an den Dichter Werner Bergengruen (1892-1964): Die Inschrift lautet: Als Werner Bergengruen 1925 im Odenwald lebte, war er tief beeindruckt vom reichen Sagenschatz des Rodensteiner Landes, vor allem vom sagenhaften Zug des Rodensteiners durch die Lüft, und schrieb sein einfühlsames und mitreißendes Erzählwerk „Das Buch Rodenstein“. Auch Joseph Victor von Scheffel (1826-1886), dem Dichter der Rodensteinlieder, wurde in den Burgruinen vom Odenwaldklub Fränkisch Crumbach und der Burschenschaft Frankonia zu Heidelberg eine Gedenktafel gesetzt. Rund um die Burg existiert ein etwa 1 Kilometer langer Rundwanderweg, der „Rodensteiner Dichterweg“. Er ist mit acht Infotafeln zur sagenumwobenen Burgruine Rodenstein versehen ist. Der Dichterweg ist ein Projekt der Interessengemeinschaft Heimatmuseum Rodenstein. Die Tafeln zeigen illustrierte Auszüge aus dem Wirken der beiden Odenwald-Poeten.
Auf dem Rodensteiner Dichterweg
Die erste Tafel erläutert, wie Werner Bergengruen zu seinem Erzählwerk „Das Buch Rodenstein“ kam und zeigt einen Holzschnitt der Burgruine von Annelise Reichmann. Tafel 2 trägt die Überschrift „Der Rodensteiner als Beschützer Deutschlands – eine nationale Ausprägungsform der Sage“. Hier findet der Wanderer den ersten Vers des Rodensteinlieds „Es regt sich was im Odenwald“ und die Abbildung eines Rodenstein-Notgeld-Scheines. Mit der Sage um die „wilden Frauen am Wildweibchenstein“ befasst sich Tafel 3. Der „Wildweibchenstein“ ist eine Felsengruppe am Rande des Wanderweges nach Laudenau. Im zitierten Text aus dem Kapitel „Rudolf von Rodenstein und die wilden Weibchen“ wird die unbarmherzige Hetzjagd auf zwei Frauen, die der Sage nach in den Felsenhöhlen hausten, beschrieben. Auszug: „…unbarmherzig hetzt sie der Jäger, wo er im Holz ihrer ansichtig wird, dass sie sich schluchzend und zitternd zwischen die Steine ducken und hier flatternden Herzschlages harren, bis die wilde Jagd über sie hingebraust ist“. Die vierte Tafel schildert, wie der Rodensteiner mit einem Fluch belegt wird. Eine Abbildung aus der Erstausgabe von Bergengruens Buch Rodenstein zeigt die „weiße Frau“, begleitet von ihrem Diener, deren Fluch den Rodensteiner dazu verurteilte, „ewig zwischen den Burgen Schnellerts und Rodenstein durch die Lüfte zu ziehen. Tafel 5 hat Joseph Viktor von Scheffels Lied „Das wilde Heer“ zum Inhalt und entlarft den Rodensteiner als Säufer.
Wildwachsendes Rankenwerk der Sagen
Auf Schautafeln Nr. 6 am Rodensteiner Rundwanderweg sind Dichterworte Bergengruens festgehalten. Darunter: „Kaum ein deutscher Boden hat ein so reiches und wildwachsendes Rankenwerk der Sagen hervorbringen dürfen wie dieser. Und sie sind nicht vertrocknet in den Herbarien gelehrter Sammler, sie leben heute noch in den Wäldern, in den Dörfern, im Efeubehang der Ruinen… Aber das tiefste Geheimnis dieses Landes ist die rodensteinische wilde Jagd.“ Die Tafel zeigt eine Lithographie des Dichters von Emil Stump aus dem Jahr 1928 und den handschriftlichen Namenszug Bergengruens. Schautafel Nr. 7 bietet unter dem Titel „Rodensteiner und wildes Heer – alter Dämonenglaube“ einen Auszug über die Erscheinung des Rodensteiners, der nach der Sage auf ewige Zeit keine Ruhe im Grab finden kann. So schreibt Bergengruen: „Er braust durch Wälder. Tannen prasseln vor ihm wie dürres Reisig. Sturm bläht ihm den schwarzen Mantel, dass er aufflattert und alle Sterne verhüllt. Tod zeigt er an, Grauen und Herbst und die Stunde, nach der keine Zeit mehr sein soll: Bote Gottes und seiner Nacht, Erfüllungskünder und Endeansager, der doch selber unerfüllt blieb und unbeendet. Er ist den Menschen entrückt, den Lebenden wie den Toten, und hat nicht mehr Teil an ihren Widerfahrnissen.“ (…). Die Tafel zeigt zudem eine Zeichnung aus dem „Buch Rodenstein“, die die rasenden Gestalten des wilden Heeres darstellt
Die Federzeichnung von Valentin Wagner aus dem Jahr 1634. Das Original befindet sich in der Graphischen Sammlung Albertina, Wien.
Die Drei-Dörfer-Vertrinkung
Sehr erheiternd ist Tafel 8, die eine humoristische Poesie aus „Die Lieder vom Rodensteiner“ von Joseph Viktor von Scheffel zum Inhalt hat. Das Gedicht zur „Drei-Dörfer-Vertrinkung“ zeigt sich, dass der Herr von Rodenstein dem Rheinwein nicht abgeneigt war. Hier eine Kostprobe:
Wer reit’t mit zwanzig Knappen ein
Zu Heidelberg im Hirschen
Das ist der Herr von Rodenstein
Auf Rheinwein will er pirschen
(…)
Und als er sich nach Jahr und tag
Die Rechnung hergewunken,
Da sprach er „Blitz und Donnerschlag!
Jetzt ist Gersprenz vertrunken!“
Anmerkung: Gersprenz = Nachbargemeinde von Fränkisch-Crumbach.
Abschließender Hinweis: Unterhalb des Burgtores befindet sich das Landgasthaus Hofgut Rodenstein, das zu einer Einkehr einlädt. Die Anschrift lautet:
Hofgut Rodenstein
An der Burgruine – 64407 Fränkisch-Crumbach
Telefon + 49 (0) 6164 – 1087
Telefax + 49 (0) 6164 – 515 584
e-Mail: info@hofgut-rodenstein.de
Internet: www.hofgut-rodenstein.de
Heimatmuseum Rodenstein
Fränkisch-Crumbach
Öffnungszeit: Sonntags von 14 bis 16 Uhr
Trägerverein: Interessengemeinschaft Heimatmuseum Rodenstein e. V.
Kontaktmöglichkeiten:
Rudhart Knodt, Allee 4, Fränkisch-Crumbach, Tel. 06164/718
Karl-Heinz Mittenhuber, Hagenstraße 1, Fränkisch-Crumbach, Tel. 06164/1686
Hubert Eichner, Brunhildstraße 15, Fränkisch-Crumbach, Tel. 06164/2433
Gemeindeverwaltung Fränkisch-Crumbach
Rodensteiner Str. 8
64407 Fränkisch-Crumbach
Tel: 06164 / 93 03 0
Fax: 06164 / 93 03 93
gemeinde@fraenkisch-crumbach.de
Landgasthaus
Hofgut Rodenstein
An der Burgruine – 64407 Fränkisch-Crumbach
Telefon: 06164/1087
Telefax: 06164/515 584
e-Mail: info@hofgut-rodenstein.de
Internet: www.hofgut-rodenstein.de
Anfahrt
Autobahn A 5, Ausfahrt Bensheim/Heppenheim, weiter auf B 45 über Bensheim nach Reichelsheim. Hier über die Konrad-Adenauer-Alle auf die K 76, Wegweiser zur Burg Rodenstein folgen. Ab Fränkisch-Crumbach von der Bahnhofstraße in die Rodensteiner Straße, Wegweiser zur Burg Rodenstein folgen (schmale Aspahltstraße).
Keine Bus- oder Bahnverbindung zum Zielpunkt.