Berka: Endstation Elektrozaun
Praktisch, diese Pop-up-Zelte. Aus dem Bus geworfen, vier Heringe festgemacht, Klappmatratze, Schlafsack und Kopfkissen rein. Fertig. In weniger als einer Viertelstunde war mein Nachtquartier auf dem Feriencamp in Berka an der Werra aufgeschlagen. Jetzt konnte es auf die Entdeckungsreise gehen. Mit dem E-Bike folge ich der Markierung des Lutherweges 1521, auf dem ich Dutzende Etappen in Hessen absolviert habe.
Vom Mühlweg führt mich die Markierung auf die Bahnhofstraße. Hier biege ich rechts ab und gelange zum traditionsreichen Gasthof „Zur Post“. An dieser Stelle ist eine Einfügung zur Ortsgeschichte angebracht. Den Text habe ich der Infotafel am Campingplatz entnommen.
O-Text: „Berka tritt 786 in einer urkundlichen Ersterwähnung in die Geschichte ein. Schon im frühen Mittelalter wurden in Berka vier Märkte im Jahr abgehalten und das Dorf wird als Marktflecken mit fast allen städtischen Rechten bezeichnet. 1847 erlangte Berka das Stadtrecht. Berka besaß zwar drei Stadttore, aber keine Stadtmauer. Vom Untertor, dem einzigen erhaltenen Stadttor, verläuft die Hauptstraße bis zur Kirche. Von der Kirche – wohl das älteste Bauwerk in Berka – wird schon 1403 berichtet. Einige schöne Häuser zeugen noch heute vom ehemaligen Glanz des Werrastädtchens. Das Rat- und Weinhaus wurde in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaut. Unmittelbar an das Rathaus grenzt das alte Gasthaus Zur Post.“ (O-Text Ende).
Und dort stehe ich nun und finde an der Pforte einen Stempelkasten. Pilger und Stempeljäger bekommen ihren „Lohn“ also als Vorschuss.
Die Gaststätte ist bereits geöffnet. Aber ich möchte ja zunächst den Lutherweg-Abschnitt von Berka nach Dippach erkunden. Die Markierung führt mich in die Weinstraße, die kräftig ansteigt. Trotz Elektro-Unterstützung muss ich ordentlich in die Pedale treten, um auch über die Straße „Am Berg“ die Ortsgrenze zu erreichen.
Auf einem breiten Feldweg erklimme ich die Kuppe des Hügels und lasse mich vom Anblick eines schneeweißen Kaliberges überraschen. Vor mir liegt eine tolle Aussicht auf das Bundesland Hessen.
Eine Sitzgruppe unter einer alten Eiche bietet sich für eine Rast und zum Genießen dieser Aussicht an. Auf sandigem Boden fahre ich weiter und stehe plötzlich vor einem Elektrozaun.
Bis hier hin und nicht weiter – macht mir auch die grimmig blickende Kuh dahinter deutlich. Das ist natürlich nicht optimal, wenn sich die Schöpfer des Lutherweges nicht mir den Landwirten einigen können.
Der Etappenzielort Dippach liegt mir bereits zu Füßen und ich prüfe, ob sich diese Weide irgendwie umgehen lässt.
So folge ich einem Abzweig, der mich an einer Infotafel zur „Lebensgemeinschaft Hochwald“ vorbei an eine Hangwiese mit schönem Ausblick führt. Aber auch dieser Weg ist Sackgasse.
Wäre ich zu Fuß unterwegs gewesen, hätte ich mich ganz schön geärgert. Mit dem E-Bike ist dieses Problem schnell behoben. Es gibt ja auch noch die Landstraße nach Dippach.
Um mehr von Berka zu sehen, fahre ich in einem Nord-Ost-Bogen zur Stadt zurück und gelange über die Jacob-Töpfer-Straße direkt an das Untertor, dem einzigen erhaltenen Stadttor.
Weiter geht die Fahrt in die Lutherstraße, wo sich das „Zum weißen Hirsch“ mit deutscher Küche empfiehlt.
Wenige Meter weiter befinde ich mich wieder am Gasthaus „Zur Post“. Ein besonders schmuckes Gebäude fällt mir dabei auf: Die alte Storchenbäckerei.
Das reich geschmückte Fachwerkhaus diente ursprünglich der Verwaltung und dem Handel. Bei wikipedia erfahre ich: „Von 1354 bis 1742 war dort der hersfeldische und ab 1648 der hessische Vogt, der das Amt Berka gemeinschaftlich mit dem sächsischen Amtmann von Hausbreitenbach verwaltete, untergebracht. Später befand sich darin die Apotheke.“ (O-Text Ende).
Ich folge nun der Kirchstraße in südwestlicher Richtung. Am rechten Straßenrand fällt mir ein großes rotes Backsteingebäude auf. Hier sind der Polizeiposten und die Verwaltungsgemeinschaft untergebracht. Der Blick fällt auf die Kirche St. Laurentius, wie erwähnt das älteste Bauwerk der Stadt.
Eine große Fahne verweist auf Konzerte mit der Stertzing-Orgel (1697/98). Damit wird unter dem Motto „Ich bin ein Juwel“ an die Thüringer Orgelbaugeschichte erinnert. Und in diesem Bereich, einige Hundert Meter abseits des Lutherweges 1521, steht eine Infotafel mit der Überschrift „Lutherweg 1521: der Alte Stern“.
Hier ist folgendes zu lesen: „Ein berühmter Gast auf der Durchreise – Berka/Werra liegt im Westen des Wartburgkreises, nahe der hessischen Grenze. Der Ort sah in seiner Geschichte manchen hohen Gast. Der wohl bedeutendste Gast aber war Martin Luther, der 1521 auf der Rückreise vom Reichstag zu Worms durch den Ort kam. Luther schrieb später an Georg Spalatin. Er sei auf dieser Reise vom Abt Crato von Hersfeld aufs freundlichste aufgenommen, bewirtet und beherbergt worden.
Nachdem dieser ihn bis an den Wald begleitet hatte, geleitete ihn der Kanzler des Abtes bis nach Berka, wo dem Reformator ein Mahl gereicht wurde. Am selben Tag kam Luther in Eisenach an, wo er in der Georgenkirche predigte. Eine Predigt im Stammort der Lutherfamilie in Möhra folgte.
Am 4. Mai wurde Luther in der Nähe bei Altenstein im heutigen LUTHERGRUND gefangen genommen und auf die Wartburg gebracht. An diesen denkwürdigen Besuch am 2. Mai 1521 in Berka erinnert die anlässlich des 400. Geburtstages Martin Luthers 1883 in die Sockelmauer des Gasthofes gemeißelte Jahreszahl 1521“. (O-Text Ende).
Dieser Beitrag wird unter dem Titel „Luther in Dippach und Dankmarshausen“ fortgesetzt.
Übernachtungsempfehlung: Feriencamp Werra
Der schnellste Weg von Mittelhessen zum Feriencamp Werra: Über die A 5 Kirchheimer Dreieck, A 4 Richtung Eisenach bis Ausfahrt Gerstungen. Von hier nur noch 3 km. Navi-Anschrift: Mühlweg 12, 99837 Berka/Werra.